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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
15. Mai 2009
16:23 MESZ

Paul Flora, "beiläufig erzogen" und im Lauf der Jahre zu "interessanten Komplexen" gekommen.


Paul Flora 1922-2009
Der große in Südtirol geborene Zeichner verstarb 86-jährig

Innsbruck - Er war ungemein beliebt, Ehrenbürger beider Hälften des geteilten heiligen Landes Tirol, Norditaliens und des Diogenes-Verlags (seinem Erstling Floras Fauna folgten über 30 weitere Bücher, u. a. Trauerflora, Die verwurzelten Tiroler und ihre bösen Feinde, Der blasse Busenfreund, Nocturnos, Die Welke Pracht). Wäre heute Wahl, die Mehrheit würde Flora wählen. Er erfüllt alle Wünsche der österreichischen Seele an Künstler. Während die Staatskünstler kamen und gingen, blieb er Souverän. Das Schwarz-Weiß des Präsidenten enthält das volle Spektrum. In allen Schattierungen.

Flora wurde am 29. Juni 1922 in Glurns im Vinschgau in Südtirol geboren. Im Alter von sechs Jahren übersiedelte seine Familie nach Innsbruck, wo er laut Selbstbeschreibung "inmitten von sechs Geschwistern aufwuchs, eher hastig und beiläufig erzogen wurde, ein schwieriges Kind war und mehrere interessante Komplexe bekam, welche seither meine Geschäftsgrundlage bilden". Ab 1953 begann die Zusammenarbeit mit dem Zürcher Diogenes Verlag und wenig später mit der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit. Dort wurden in vierzehn Jahren über 3000 seiner Zeichnungen veröffentlicht.

Zunächst galt er allen als "eigenbrötlerisch". Er konnte zeichnen, das beweist schon allein der Wiedererkennungswert dessen und derer, die er gezeichnet hat. Er konnte mit einem Fuß in Innsbruck und mit dem anderen in Wien stehen, also lustig und schwermütig zugleich sein, und dabei niemandem auf die Füße treten. Er gab staatsmännisch mild wieder, wovon man weiß, dass er es vorher scharf beobachtet hatte. Was dafür spricht, dass Mensch wie Humor ungemein fein waren. Paul Flora, das ist, als würde der brave Soldat Schwejk sagen: "Komm großer schwarzer Vogel!" Um mit dem dann nach Venedig fahren, den Karneval im Nebel anzuschauen. Über viele Jahrzehnte markierte Flora derart die Untiefen des Abgrundes. Und schon allein das ist die Liebe zu ihm wert. Ein großer Chronist war er, einer, der sich ganz bewusst über Dialektgrenzen hinwegsetzt hat, ein Künstler, der noch mit der Hand geschrieben hat, und zwar so schön, dass wirklich jeder seine Erzählungen und Fragmente lesen kann.

Wie kaum ein anderer erfüllte er das Kriterium der Unmittelbarkeit. Für jeden! Derart leicht verständlich bieten seine Zeichnungen dem Beschauer dann auch noch genügend Zeit, eine weitere Tugend des lebenslang aufmerksam Gebliebenen zu bewundern: seinen Fleiß, die Geduld. Wenn der Flora einen Witz über die Chinesen gemacht hat, dann zeichnete er tatsächlich Tausende davon. Auf engstem Raum. Jeder Einzelne mit Mimik. Alle traurig. "Köstlich!", kommentierten dies wiederum tausende Verehrer.

Oder die Dichter: Wer, wenn nicht Flora, hat je so anschaulich gemacht, wie viele Buchstaben denen im Kopf herumschwirren, gleichsam alles vernebeln. Oder, auch das zeigt wahre Größe: Sind wir nicht alle einmal Vogelscheuchen, hinterlässt das Leben nicht an uns allen oft pittoreske Spuren, nagt nicht an jedem die Zeit, zerzaust nicht alle der Wind, überfüllt sich nicht jedem der Leib? Und wer nahm uns dabei dann die Würde nicht weg: der Paul Flora. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 16./17.05.2009)

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