Salzburger Nachrichten am 3. März 2006 - Bereich: Kultur
Spuren in Südamerika

Emigriert und hier zu Lande in Vergessenheit geraten: Im Wiener Architekturzentrum lässt sich ein Blick auf das Gesamtwerk des Architekten Walter Loos werfen.

ANNE ISOPP WIEN (SN). Im Jahr 1938 verließ Walter Loos gemeinsam mit seiner späteren Frau, der Modedesignerin Fridl Steininger, Österreich. Neun Jahre lang hatte er nach Beendigung seines Studiums bis zu seiner Emigration als freischaffender Architekt in Wien gearbeitet. In dieser Zeit konnte er vor allem Einfamilienhäuser realisieren. Diese "zählen heute zum Besten, was in der Zwischenkriegszeit gebaut wurde". (Katalog: "Walter Loos") Und doch war die Zeit zu kurz und sein Œuvre zu klein, um sich einen bleibenden Namen zu machen.

Wer hier zu Lande Loos sagt, meint Adolf Loos, den Wegbereiter der Moderne. Sein Namensvetter Walter Loos dagegen ist in Vergessenheit geraten.

Das Wiener Architekturzentrum (Az W), das seit 2003 den Nachlass des vor sechs Jahren verstorbenen Architekten besitzt, zeigt in der Ausstellung "Der unbekannte Loos: Walter" erstmals sein Gesamtwerk. "Einige Bewohner waren enttäuscht, dass sie nicht in einem Haus von Adolf Loos wohnen", sagt die Kuratorin Sonja Pisarik, die im Zuge ihrer Recherchen seine Wohnbauten in Wien und Umgebung besuchte.

Die Emigration bedeutete für das Ehepaar Loos - wie für viele ihrer Künstlerkollegen - einen Riss in Leben und Karriere. Kurz vorher war Loos die Leitung des Wiener Stadtplanungsamtes angeboten worden - vom nationalsozialistischen Bürgermeister Hermann Neubacher. Loos lehnte ab und kehrte Österreich den Rücken. Erst ging es nach London, von dort weiter nach New York, bis er schließlich in Buenos Aires eine neue Heimat fand. Fridl Loos fasste dort als Modedesignerin schnell Fuß. Ihr Name wurde weit über Argentinien hinaus bekannt. Walter Loos dagegen hat nach 1938 nur noch wenig gebaut. In seinem Werkverzeichnis sind neben einer Hand voll Einfamilienhäuser vor allem Inneneinrichtungen und Möbelentwürfe zu finden. Die Kuratorin Pisarik erklärt dies so: Sein jüngerer Bruder Hermann Loos, ebenfalls Architekt und erst 1950 nach Argentinien ausgewandert, habe sich viel mehr in die argentinische Gesellschaft integriert als sein Bruder und sei damit auch leichter an Bauaufträge herangekommen. Erschwerend war für Walter Loos, dass sein österreichisches Architekturdiplom in Argentinien nicht anerkannt wurde.

Der Einfluss der neuen Heimat macht sich im Werk beider deutlich bemerkbar: Fridl verband geschickt europäische Schneidertradition mit argentinischer Folklore und Walter lokale Traditionen mit einer ihm eigenen, modernen Formensprache. Die Schau im Az W lässt den Architekten und den Menschen Walter Loos entdecken - anhand seiner Bauten und mithilfe von Zeitzeugen-Stimmen. "Wir glauben, mit der Ausstellung einen Beitrag zur Erforschung der europäischen Emigrationen nach Südamerika zu leisten", sagt Dietmar Steiner, Direktor des Az W.

Während die Ausstellung "Visionäre & Vertriebene" vor etwa elf Jahren österreichische Architekten unter die Lupe nahm, die nach Nordamerika emigriert waren, sind die Spuren der Exil-Österreicher in anderen Kontinenten noch weitgehend unerforscht. Walter Loos ist da ein erster Anfang.Der unbekannte Loos: Walter läuft bis 22. Mai 2006 im Architekturzentrum Wien (www.azw.at). Ein Katalog zur Ausstellung erschien im Verlag Holzhausen.