Medienkunst Tirol betreibt die Plakatgalerie im
Innsbrucker Treibhaus. Gefallen Treibhaus-Chef
Norbert Pleifer die Plakate nicht, überklebt er
sie eigenhändig.
Artikeltext: Der Verein Medienkunst Tirol hat
keine eigene Galerie. Einerseits aus Mangel an
finanziellen Ressourcen, andererseits suchen sich
die Medienkünstler auch ganz bewusst immer wieder
neue - gern unkonventionelle - Ausstellungsorte.
So wurde im heurigen Frühjahr, natürlich in
Absprache mit Treibhaus-Chef Norbert Pleifer, im
Treibhauscafe eine "Plakatgalerie" eingerichtet,
die von österreichischen wie international
umtriebigen Künstlern bespielt werden
sollte.
Das erste Plakat gestaltete das
tirolisch-amerikanische Künstlerduo Richard
Hoeck/John Miller parallel zu ihrer Ausstellung in
der Galerie Widauer. Um einen UPS-Mann und seine
Kundinnen ging es in ihrem mit viel Ironie
gespickten Plakat. Für Pleifer war es allerdings
"sexistisch", es habe ihm "rein privat nicht
gefallen", weshalb er es nach einigen Wochen
überklebt hat. "Dieses Recht nehme ich mir
heraus", so Pleifer. Und er sah auch absolut keine
Veranlassung, vor diesem nach eigener Aussage
"vandalistischen Akt" mit den Vertretern von
Medienkunst zu reden.
Etwa Stefan Bidner
oder Roland Maurmair, was diese sehr ärgert.
"Pleifer hat keine Ahnung von Kunst", schimpft
Bidner, für den diese Vorgangsweise "schwer
reaktionär und für einen Kulturmenschen nicht zu
billigen" ist. Denn die Aufgabe von Kunst sei es
zu provozieren, Diskussionen
anzuzetteln.
Diese Auslöschung von Kunst
"bei Nacht und Nebel" (Bidner) war aber keine
einmalige Aktion. Plakat Nr. 2 von "Chicks on
Speed" fand offensichtlich das Gefallen von
Pleifer, nicht jedoch die Arbeit von
Deutschbauer/Spring. Das Foto eines Leichenberges
im KZ Auschwitz war die Basis des vom Künstlerduo
überarbeiteten Plakats.
Nach drei Wochen
wurde dieses von Pleifer überklebt, nach Aussage
von Bidner bereits nach einer Woche. "Ich wollte
Deutschbauer/Spring die Diskussion, die sie
anzetteln wollten, nicht geben", so Pleifer, für
den deren Annäherung an das Thema eine völlig
"unehrliche" war. Dieses Plakat habe seine
Toleranzgrenze ausgereizt, drei Wochen habe er es
ausgehalten, andere - wie etwa ein norwegischer
Musiker - keinen einzigen Abend.
Deshalb
will Pleifer zukünftig jedes Plakat sehen, bevor
es im Treibhaus aufgehängt wird. Diese Vorzensur
wiederum ist für den Verein Medienkunst
inakzeptabel. Der Sinn von Medienkunst Tirol, Orte
zu vernetzen, werde auf diese Art ad absurdum
geführt, so Bidner, die Plakatgalerie im Treibhaus
"zum Unort".
Das vierte und letzte Plakat
wird ab 18. November Martin Walde gestalten,
parallel zu seiner Ausstellung in der Innsbrucker
Galerie im Taxispalais. Von Pleifer unzensuriert,
wie Roland Maurmair versichert, der für den Verein
Medienkunst bereits auf der Suche nach einem neuen
Platz im öffentlichen Raum ist.
Kunst, die
mehr als bloße Dekoration ist, nicht nur in
geschützten galeristischen und musealen Räumen
stattfinden zu lassen, ist u.a. das Konzept von
Medienkunst Tirol. Das Treibhaus schien ein
idealer solcher Ort der - unfreiwilligen -
Begegnung mit Kunst zu sein, gehen hier doch
tausende Menschen ein und aus. Die Krux an der
Geschichte ist allerdings, dass die Medienkünstler
und Treibhäusler Pleifer offensichtlich völlig
unterschiedliche Auffassungen von Kunst haben.
Aber anstatt eine Auseinandersetzung in
welcher Form auch immer mit dem Präsentierten
zuzulassen, löscht Pleifer das, was ihm nicht
gefällt, aus. Derzeit das sicher nicht
unproblematische Plakat des Künstlerduos
Deutschbauer/Spring, über das er eines von Miriam
Makeba geklebt hat, das ganz sicher niemanden in
welchen Gefühlen auch immer stört.
Kann das
die Form sein, in der ein - zu einem guten Teil
immerhin von Steuergeldern lebender -
Kulturveranstalter mit Kunst, Künstlern und deren
Art der Vergangenheitsbewältigung umgeht? Pleifer,
der nie zimperlich im Umgang mit anderen war und
für sich jede Toleranz fordert, handelt
seinerseits total autoritär. Sein subjektives Maß
hat das für alle zu sein. Schade um das Treibhaus,
in dem es schon lange nicht mehr brodelt, seit es
sich von einer offenen Werkstatt zum bequemen
Salon gewandelt hat. (schlo)