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11.12.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ba-Ca Kunstforum: Punktgenaue Obsession
Roy Lichtensteins Pop-Art zeigt das BA-CA Kunstforum erstmals in dieser Menge in Österreich.

Es ist keine Kunst, die unter die Haut kriecht. Will sie auch gar nicht. Lei denschaft wird von präzisen Flä chen und Balken eingeschränkt. Versiegelt von spiegelnd glatter, anonymer Oberfläche. Und doch ist ein Bild von Roy Lichtenstein (1923 - 1997) unverkennbar. Der Stil des Pop-Artisten wurde zu einer der erfolgreichsten Trademarks der Kunst des 20. Jahrhunderts. Billige Poster seiner aufgeblasenen Comics-Sujets finden sich heute in Möbelhäusern wie auch an den Wänden der heimeligen Kokons der 68er-Generation. Die Originale erzielen am Kunstmarkt Preise bis zu zwölf Millionen Dollar.

Gesammelt werden die Ikonen der westlichen Konsumgesellschaft vorwiegend an Amerikas Ostküste, aber auch in Europa finden sich Hauptwerke. Das Wiener Museum moderner Kunst verzeichnet zwar drei "Lichtensteins" in seiner Sammlung, an Österreich gingen die großen Retrospektiven und Einzelausstellungen der Künstler-Ikone aber bislang vorüber.

Ein Umstand, den das BA-CA Kunstforum zu einer annehmbar publikumsträchtigen Star-Beschau animierte.

Und da hängen sie jetzt friedlich nebeneinander, die Leinwände, Zeichnungen, Skizzen und ein paar Drucke. Etwa 45 Gemälde konnten aus dem New Yorker Guggenheim Museum, dem Stedelijk Museum Amsterdam und privaten Sammlungen ergattert werden. Vom Wiener Moderne Museum kommen zwei Großformate - ein "Mirror"-Bild aus 1970 und ein ornamental-abstraktes "Modular Painting" (1969).

Zeitgleich - nicht gemeinsam - mit Andy Warhol hob der ausgebildete New Yorker Maler zu Beginn der 60er Jahre die Pop-Art aus der Taufe. In Opposition zum damals in den USA gerade dominanten und gefeierten abstrakten Expression frönte der an mehreren Kunstuniversitäten lehrende älteste Sohn eines Grundstücksmaklers dem plakativen Gegenstand, den knalligen Primärfarben, der grellen Figur: Exotische Girls, lasziv und allzeit bereit karikiert das in Film und Werbung vertretene ideale Frauenbild. Alltagsgegenstände wie Zwirnspule, dampfende Kaffeetasse, Beißzange stellte er als Heroen der Konsumwelt monumentalisierend in den freien Raum. Schwarz umrandet und umgeben vom berühmten Pünktchen-Raster, den "Benday-Dots". Und erstmals in seiner Künstlerkarriere hatte Lichtenstein mit diesem Stil bei den Galeristen Erfolg.

Zu Beginn hatte er sich in seinen Bildern mit amerikanischer Folklore beschäftigt - Cowboys und Indianer in kubistischer Manier. Ende der 50er Jahre zog der abstrakte Expressionismus auch Lichtenstein in seinen Macho-Bann. Dann folgten bereits erste Experimente mit Comic-Strips. Die genaue Bestandsaufnahme und der disziplinierte Strich schienen dem im Zweiten Weltkrieg als kartografischer Zeichner Eingezogenem mehr Erfolg zu bringen. Mit der Reproduktion der Reproduktion, meist arbeitete Lichtenstein nach Abbildungen in Zeitungen, auf Kunst-Postkarten und Plakaten, traf Lichtenstein den Geist der Zeit. Walter Benjamins 1936 veröffentlichte Theorie der durch Verfielfältigung "verlorenen Aura" von Kunstwerken beschäftigt Künstler wie Philosophen bis heute.

Bis zu seinem Tod blieb Lichtenstein - von einem kurzen Sidestep in die frei-inspirierte Malerei Anfang der 80er Jahre abgesehen - seinem populären, hyper-klaren Stil treu. Das BA-CA Kunstforum zeigt in der Ausstellung eine etwas zusammenhanglos gehängte bunte Mischung von Motiven aus fast allen Werkphasen - auch die Paraphrasen des Malers auf Meisterwerke der klassischen Moderne sowie sein Alterswerk. Ausladende, meditative Landschaften, inspiriert von asiatischer Kunst, eingebettet in einem fragilen, sich fast auflösenden Punkte-Raster. Das kennt man noch nicht, das überrascht, berührt - und kriecht dann doch ein bisschen unter die Haut.

Bis 7. März. Tägl. 10-19, Fr. 10-21 Uhr.

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