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Hauptausgabe vom 07.03.2003 - Seite 007
O.K-CENTRUM: Großartige, wagemutige Ausstellung von jüdisch-israelischen Künstlern

Das "versprochene Land" ist ein traumatisiertes Land

VON CHRISTIAN PICHLER

Ein orthodoxer Jude grapscht an seinem Busen herum. Er heißt Marcus Fisher und ist schwul. Fisher ist das Alter Ego von Oreet Ashery. Die in Jerusalem geborene Performance-Künstlerin thematisiert in ihrer Arbeit das männliche Rollenbild in der modernen israelischen Gesellschaft: Wie passt Fisher zum Bild des tapferen zionistischen Kämpfers?

Das Unverständnis zwischen religiösen und weltlichen Juden - eine von vielen gesellschaftlichen Bruchlinien im Israel der Gegenwart. Eine großartige, wenngleich gewagte Ausstellung im Linzer O.K-Centrum zeigt Perspektiven eines Landes, das es an seinen inneren Konflikten zu zerreißen droht. "Ein Land", heißt es im Ausstellungstext, "ratlos und traumatisiert". Wieder werden am Vorabend eines drohenden Irakkrieges Gasmasken verteilt. Österreich ist, um nur drei Anknüpfungspunkte zu nennen, auf besondere Weise mit dem "Nahen Osten" (aus europäischer Perspektive) verbunden: Theodor Herzl, das Verbrechen des Holocaust, Bruno Kreiskys Nahost-Engagement.

Ein Kuratorium (Thomas Edlinger, Stella Rollig, Roland Schöny) hat mehr als zwanzig jüdisch-israelische Künstlerinnen und Künstler nach Linz eingeladen, zum Thema "The Promise, the Land" Stellung zu beziehen. Warum keine palästinensischen Gegenstimmen? Eine bewusste Entscheidung, sagt Stella Rollig: "Damit würden wir die verschiedenen Ausgangsverhältnisse vertuschen. In der Art, mit ein bisschen ,good will` wäre eh Frieden möglich."

Die Abnabelung von aus Russland eingewanderten Juden; die Kunstpartei "Pettek", die über eine "gute Welt" oder eine "bessere Welt" abstimmen lässt; Fotos von Straßen, die jüdische Siedlungen verbinden und die die Landschaft zerstückeln: Ist dies das versprochene paradiesische Land? "The Promise, the Land" ist noch bis 27. April zu sehen. Heute und morgen findet im O.K ein hochrangig besetztes Symposium zum Thema statt. Im Moviemento: eine israelische (4.-10. 4.) und eine palästinensische (5.-11. 12.) Filmreihe.

"The Promise, the Land" im Linzer O.K-Centrum: bis 27. April, Tel. (0732) 78 41 78.


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