Tupfen-Wahn in der Kunsthalle Wien

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Tupfen, Tupfen, Tupfen. Es wird einem schwindlig in der Kunsthalle Wien. Dort hat sich die große Schauhalle im ersten Stock in den psychedelischen Kosmos der "Polka-Dot-Princess" Yayoi Kusama verwandelt. Ab morgen, Freitag, bis 28. April ist der japanischen Pop-Art-Protagonistin, die in den sechziger Jahren berühmt und Ende der 80er Jahre wieder entdeckt wurde, eine Personale gewidmet - die erste große Ausstellung in Europa (nach einer ersten, kleineren Station in Dijon) seit der Biennale 1966 in Venedig.

"Zwanghafte" Möbel

Die 1929 geborene Malerin, Performerin, Schriftstellerin, Video-, Installations- und Fotokünstlerin ist eine der vielseitigsten und erfolgreichsten Künstlerinnen Japans und in vielem Vorreiterin der Pop Art. Kusama ging 1958 von Japan nach New York und entwickelte dort im Umfeld von Pop Art, Minimalismus und Abstraktem Expressionismus die von ihr selbst so bezeichnete "obsessional art". Mit Punkten und "Infinity Nets" genannten Netzstrukturen überzog sie nicht nur Tafelbilder und Zeichnungen, sondern Objekte, "zwanghafte" Möbel, schließlich Menschen und ganze Räume und kreierte so Universen mit phallischen Objektauswüchsen, in denen sich die Grenzen des Raums und des Individuums in einem unendlichen Kosmos aufzulösen scheinen.

Nackt-Performances

Kusamas Schaffen steht einerseits im Kontext politischer, feministischer und, so Kunsthallen-Kuratorin Sabine Folie, auch buddhistischer Ideen. So war der Gedanke der "Self-Obliteration" auch in den als "Body- and Love-Festivals" angekündigten Nackt-Performances zentral, die Kusama seit den sechziger Jahren meist an öffentlichen Plätzen in New York veranstaltete: Von Kusama mit Tupfen bemalte Nackedeis verbrannten die amerikanische Flagge und demonstrierten gegen den Krieg und für die sexuelle Befreiung.

Psychisch-halluzinatorischen Störungen

Zum Teil speist sich Kusamas Arbeit aber auch aus psychisch-halluzinatorischen Störungen, deretwegen sie dauerhaft in klinischer Behandlung ist. 1974 kehrte Kusama nach Japan zurück und verarbeitete ihre New Yorker Jahre in autobiografischen Erzählungen und Gedichten, die mehrfach prämiert wurden und eine wachsende Fangemeinde erreichen.

"Fireflies on the Water"

Die Hauptattraktion in der Kunsthalle sind, neben Fotos, Videos, Dias, Bildern und Kleiderobjekten, beeindruckende mythische oder witzige Rauminstallationen aus den vergangenen fünf Jahren mit sich wiederholenden Strukturen und Spiegelungen. In "Fireflies on the Water" etwa vertausendfachen sich von der Wand hängende winzige Lichterschnüre in eine schwarze Unendlichkeit über einem Wasserbassin.

"Ladder to Heaven"

Der "Infinity Mirror Room - Love Forever" ist wie der Blick in ein überdimensionales blinkendes Lichtkaleidoskop, und die leuchtende "Ladder to Heaven" scheint aus einem Brunnenschacht von der Unterwelt in den Himmel zu führen. Der "Narcissus Garden" aus verspiegelten Kugeln sorgte allerdings schon 1966 in Venedig für Aufregung: Damals provozierte Kusama die Kunstwelt, indem sie die Kugeln für zwei Dollar pro Stück an die Besucher verkaufte.
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