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Viennafair: Schusslinien

30.04.2009 | 16:16 | von Johanna Hofleitner (Die Presse - Schaufenster)

126 Teilnehmergalerien aus 17 Ländern: Die Viennafair fiebert trotz Wirtschaftskrise ihrer fünften Ausgabe entgegen. Ein erster Rundgang.

Gottfried Leitner: Galerie Lang, Wien

Manfred Lang ist einer jener Galeristen, die kleine Details und feine Handwerklichkeit nicht weniger ­lieben als den großen Horizont. Das demonstriert der Seilerstätten-Galerist im Kleinen, etwa in Form fein­sinnig arrangierter Gruppenausstellungen, ebenso wie im Großen. In dem Sinn ist Manfred Lang auch einer, der nicht bloß andenkt, sondern sich für die Umsetzung von Konzepten einsetzt. Langs jüngstes Baby ist die auf die Kunst des 20. Jahrhunderts spezialisierte „Art Austria“, die von 13. bis 17. Mai zum zweiten Mal stattfindet.

Fürs Standprogramm an der zeit­genössisch ausgerichteten Schwestern-Veranstaltung setzt Lang ganz auf Figürlichkeit und rückt neben den Wirklichkeitsbildern Bruno Wildbachs, einem verrückten Block übermalter Briefe von Andrea Schnell und poetischen Skulpturen Martin Krammers vor allem Gottfried Leitners fotorealistische, nach Schnappschüssen von Halbwüchsigen gemalte Unendlichkeitsbilder (1650–7000 Euro) ins Rampenlicht. An ihnen fasziniert Lang die „Genauigkeit und Offenheit sowie eine gewisse Art von Mythos und Geheimnis, die immer auch Unsicherheit und Gefahr birgt“ – so wie das Porträt des kämpferischen Jungen mit der Stein­schleuder vor dem ­schier endlosen weißen Hintergrund, für das der Sohn des Künstlers Modell gestanden ist.
Stand Nr. A1704. www.glw.at

 

Gustav Troger: Artelier Contemporary, Graz

Auch wenn es bis in den letzten Winkel der Kajüte über und über mit Spiegelfragmenten beklebt ist und jetzt bloß als Schaustück fungieren wird: Das mächtige Motorboot, das Gustav Troger als Hauptexponat (ca. 100.000 Euro) seiner One-Man-Show in der „Zone 1“ auftakeln wird, ist tatsächlich fahrtauglich. So wie der spiegelsplitterübersäte Beuys-Anzug, Meistergröße 54, immer noch tragbar ist, mit dem der Grazer während der Dauer der Viennafair auf dem Boot Performances bestreiten wird. Oder wie die als „Unikat-Edition“ aufgelegten Spiegelflaschen (1500 Euro) tatsächlich befüllbar sind.

Mit der Entscheidung für eine Soloshow des zwischen Graz und San Francisco pendelnden Aktionskünstlers Gustav Troger setzt Artelier-Contemporary-Galeristin Petra Schilcher diesmal alles auf eine Karte. Eine Entscheidung, die in Zeiten wie diesen von Mut zeugt. Andererseits: Schilcher ist mit ihrem markanten Editionsprogramm, in dem „die serielle Linie immer gegeben ist“, ohnehin eine Solistin. Wer serielle Kunst sucht und schätzt, weiß das und wird in ihrem qualitätsvollen Programm ganz sicher fündig, auch wenn die Editionen von Baldessari, Bonvicini, Gappmayr, Kippenberger, Kogler, Mullican & Co. diesmal allenfalls aus dem Köfferchen ausgesucht werden können.
Stand AZ013. www.artelier-contemporary.at

 

Stefan Wykydal: Galerie Schmidt, Reith i. A.


Seit Stefan Wykydal, Jahrgang 1976, vor vier Jahren mit dem Strabag-Award ausgezeichnet wurde, gilt der Attersee-Schüler als Geheimtipp der jungen heimischen Malereiszene (Bild oben). Typisch für ihn ist seine lang gezogene, lockere Pinselführung, mit der er Stadtszenen und Landschaften ebenso wie postmoderne Genreszenen souverän ins Bild setzt. Durch einen nervösen Umgang mit der Farbe verleiht Stefan Wykydal seinen Darstellungen etwas Prekäres und Labiles, das sie mit der Realität immer wieder auf Kollisionskurs bringt. Damit erweitert der 33-Jährige seinerseits das Angebot markanter österreichischer Malereipositionen, das das Profil der neben Österreich vor allem in Süddeutschland und Norditalien tätigen Galerie Schmidt auszeichnet, um einen spannenden Aspekt.

An der Viennafair wird Wykydal im Ensemble mit Malerei von Franco Kappl, Hubert Scheibl, Gunter Damisch und Jakob Gasteiger sowie Fotografien Angelika Krinzingers zu sehen sein. „Gerade in Zeiten wie diesen hat es die Malerei sehr gut“, sagt Galerist Gottfried Schmidt. „Mit unserem Malereischwerpunkt (Anm.: Preis-Range: 2900–35.000 Euro) haben wir eine Nische erwischt.“ Die Viennafair, an der die Galerie von Beginn an teilgenommen hat, sieht Schmidt als wichtige Plattform der Galeriearbeit, „um auch die Kunden im Osten des Landes optimal
betreuen zu können“. Der Erfolg und die positiven Messeabschlüsse der letzten Jahre geben ihm recht.
Stand A1601. www.galerie-schmidt.com

 

Rainer Ganahl: Galerie Lisi Hämmerle

Er ist Vorarlbergs fliegender Künstler par excellence: Rainer Ganahl, 1961 geborener Bludenzer. Umtriebiger Weltenbummler mit fixer Adresse in New York und Ausstellungen weltweit. Video- und Konzeptkünstler mit einem scharfen Blick für Detailzusammenhänge und Hang zu Büchern. Internationale Bekanntheit erlangte der Vielreiser mit konsequentem Fokus auf den Themenkomplex Fremdheit und Emigration. Das Projekt „Crossing the Hangzhou Bay Bridge – Contemplating with Caspar David Friedrich, 1774–1840“ schuf er für die Shanghai-Biennale 2008. Dafür überquerte er die mit 36 Kilometern längste Ozeanbrücke der Welt per Fahrrad – der Zeitpunkt der Aktion, wenige Tage vor Eröffnung der Brücke, ermöglichte das unwiederbringliche Erlebnis von Individualität und romantischer Einsamkeit an einem Ort, der bald darauf ein Symbol des Massentransports werden sollte.

Fotos der Aktion sind nun auf der Viennafair zu sehen. Dass Ganahl neuerdings von der Bregenzer Galerie Lisi Hämmerle gezeigt wird, ist wie eine Heimholung. Denn mit Fingerspitzengefühl und einem programmatischen Interesse für medienkünstlerische, konzep­tuelle und skulpturale Positionen hat sich Hämmerle über die Jahre als wichtigste Avantgardegalerie im Ländle etabliert. Das macht sie auch auf der Viennafair sichtbar, wo sie mit Gottfried Bechtold, Rainer Ganahl und Willi Kopf drei der wichtigsten zeitgenössischen Künstler Vorarlbergs präsentiert.
Stand A0402, www.galerie-lisihaemmerle.at

 

David Cerný: Kressling Gallery, Bratislava

Beim Erstauftritt der Kressling Gallery auf der Viennafair 2008 waren Ondrej Brodys Bodenskulpturen aus Hundefell einer der Aufreger. Diesmal fand der Skandal schon im Vorfeld statt. David Cernýs Installation „Entropa“, die an der Viennafair als exklusive Fünfer-Edition zum stolzen Stückpreis von 85.000 Euro zu haben sein wird, sorgte bereits im Winter am Brüsseler Ratsgebäude für diplomatische Verstimmung. Man erinnert sich, die Öffentlichkeit zeigte wenig Verständnis dafür, dass das 42-jährige tschechische Enfant terrible die Mitgliedstaaten in Schweijk’scher Manier auf Klischees vom Typus „Dänemark als
Mohammed-Karikatur“, „Deutschland ein Hakenkreuz aus textilen Autobahnen“, „Österreich ein einziger Atommeiler“, „Stehtoilette Bulgarien“ reduzierte.

Als Miniatur im Ausmaß von zwei mal zwei Metern ist die Edition nun Teil eines Skulpturenensembles, mit dem die junge auf tschechische und slowakische Kunst spezialisierte Galerie eine weitere Visitenkarte im Westen hinterlassen möchte. Die Messeteilnahme sieht Galerieleiter Viktor Frešo, der selbst Bildhauer ist, dennoch mehr als Business und weniger als Ausstellung – ein Risiko, das er ohne das bewährte Sponsoring der Erste Bank für die osteuropäischen Galerien nicht eingegangen wäre. So darf Frešo zumindest sagen: „I will like to try.“
Stand A0104. www.gallerykressling.sk

 

Jan Kekeli: Photoport

Er ist Teil der Generation Facebook. Jan Kekeli, 25 Jahre junger Fotokünstler aus der Slowakei, der Filme von Federico Fellini, David Lynch, David Cronenberg, Jean-Luc Godard und Milos
Foremann ebenso liebt wie Musik von Pink Floyd und Led Zeppelin bis Punk und die Straßenkunst von Banksy oder die erotischen Zeichnungen Egon Schiele, wie auf seiner Seite nachzulesen ist. Das alles spiegelt sich auch in seinen feinkomponierten
Fotoarbeiten von aufgeräumten Zimmern, in denen die Leere und das Unheimliche die Oberhand haben, menschliche Anwesenheit allenfalls als Spur vorhanden ist. „Emotions“ nennt Kekeli seine neueste Serie (1300 Euro), die am Stand der Galerie „Photoport“ aus Bratislava im Dialog mit den schon abstrakten Interieurs und postmodernen Stilleben des 26-jährigen Ján Šipöczs zu sehen sein werden.

Für die im Herzen der Bratislaver Altstadt gelegene und als städtischer Kunstverein organisierte Galerie, die sich als Plattform zur Präsentation der Fotoarbeiten vornehmlich junger Künstler versteht, ist es die zweite Teilnahme an der Viennafair. Die Messepräsenz ist wie auch die Teilnahme an Fotofestivals ein wichtiger Bestandteil des Engagements von Photoport für die Durchsetzung, Vermittlung und Verbreitung des Mediums
Fotografie, auch über die Grenzen hinaus. 
Stand A1504 www.photoport.org

 

Edward Wright: Mirko Mayer Gallery

Mit seinen nachgerade konventionell gemalten lebensgroßen Gruppenbildnissen schmieriger, stets männlicher White-Collar- Lebensgröße scheint Edward Wright, 1971 in Sydney geborener und nunmehr in London lebender Absolvent des legendären Goldsmith Collegs, im Programm seiner Galerie Mirko Mayer fast ein Außenseiter. Denn der Schwerpunkt der in bester Kölner Tradition in einem Galerienhaus befindlichen Galerie, ist ausgewiesenermaßen konzeptuelle, häufig objektlastige internationale junge Kunst (unter anderem von Blixa Bargeld, Harald F. Müller, Caroline Achaintre, Colin Cook, Ralph Baiker).

Doch auch wenn Edward Wright Porträts malt, ein Porträtist ist er beileibe nicht. Die Protagonisten werden vielmehr bar jeder Individualität dargestellt, erwünschte Ähnlichkeit kippt in Austauschbarkeit. Unter dem Deckmantel renaissancehafter Komposition und vergilbter Farbgebung greift Wright in seinen Darstellungen vielmehr jene jovialen Gesten und Zeichen heraus, die das Einverständnis der Mächtigen auszeichnen: Schulterklopfen, Händedrücken, „Power“-Gesten, die für Nicht-Eingeweihte allenfalls als Bedrohung dechiffrierbar sind. Ein vier Meter großes Bild mit dem Titel „How I Keep From Going Under“ (12.000 Euro) erzählt drastisch wie selten von den Allianzen und der Arroganz der Macht. Was unterm Strich bleibt, ist ein Sittenbild voll bissiger Kritik zum globalen Polit- und Wirtschaftsgeschehen. 
Stand A1701. www.mirkomayer.com


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