VB45 - eine Nachlese

Von Susanne Rohringer.


45 Frauen lockten Freitag Abend Massen von ZuschauerInnen in die neue Kunsthalle im Museumsquartier.

Im Rahmen der Präsentation der neuen Räumlichkeiten zeigte die amerikanische Künstlerin italienischer Herkunft Vanessa Beecroft eine ihrer Live-Performances: Inmitten der großen Ausstellungshalle stehen 45 nackte Frauen, nur mit Schaftstiefeln bekleidet, im gleißenden Scheinwerferlicht. Ihre Körper sind mit Make-up zu einer gewissen Uniformität der Leiber geschminkt, die Kopfhaare streng zurückgekämmt und blondiert, die Schamhaare abrasiert.

Den Modellen, im Übrigen keine professionellen Models, ist der Blickkontakt untereinander und mit dem Publikum untersagt. Sie reden nicht, sie schreien nicht. Die umgebenden Zuschauer bilden ein Oval, das die im Block angeordneten Frauen hermetisch umschließt. Die strenge Optik des Gesamtbildes hat ihr Pendant in der gleichmäßig bleichen Haut der Körper. Die aufgetragene Schminke wirkt wie eine Wand, die keinerlei Einblicke in die psychische Befindlichkeit der Frauen erlaubt.


Erst im Laufe der dreistündigen Performance lockert sich die starre Gruppierung der Modelle etwas auf. Einige werden müde, legen sich nieder, strecken ihre Beine aus und lagern in den verschiedensten Bewegungen am Boden. Langsam verändert sich das Tableau vivant und zerfällt.

Zur Schau gestellte Weiblichkeit

Vanessa Beecroft ist mittlerweile zum Superstar der internationalen Kunstszene avanciert. In ihren Performances, die in allen wichtigen Häusern der USA, in Japan, in Australien und am europäischen Kontinent zu sehen waren, geht es vor allem um die Interaktion zwischen Betrachter und der zur Schau gestellten Weiblichkeit. Die Frauen dienen als Vexierspiegel einer hochspezifischen Kunstsprache, die ihre Quellen in Werbung, Comic-Heften und Illustriertenfotografie findet und sich auf Themen aus der Problematik der Gentechnologie bezieht. Aber auch Aktmalerei und Gruppenbilder der Renaissance hinterlassen ihre Spuren in den Inszenierungen.

Biennale 1997
Biennale 1997
Auffallend ist die kühle Distanz, mit der Beecroft ihre Frauen präsentiert. Wir haben es hier nicht mit heißer Erotik zu tun, sondern mit einem sublim wirkenden Tableau aus lebenden Körpern. Die Erotik spielt sich höchstens in den Köpfen des Publikums ab. Ob die Besucher erregt, abgestoßen, gleichgültig, amüsiert oder analytisch reagieren - immer stehen sie wie die Models im Blickfeld. Auch das Publikum ist strengen Regeln unterworfen: Nicht anfassen! Nicht zu nahe treten! Wer gafft oder starrt, riskiert dabei ertappt zu werden.

Beecroft: postfeministisch

In einer Podiumsdiskussion im New Yorker Guggenheim Museum 1998 bezeichnet sich Beecroft als postfeministisch. Heißt dies, dass sie die Errungenschaften der feministisch motivierten Kunst umkehrt oder persifliert? Für Künstlerinnen ihrer Generation spielt die "Rückeroberung des eigenen Körpers" keine wesentliche Rolle mehr.

Beecroft steht zweifelsohne im Gegensatz zur feministischen Performancekunst der 60er und 70er Jahre, wo es darum ging, das Weibliche mit utopiebefrachteten Ambitionen zu rekonstruieren und auf lange Sicht die Welt zu verändern. Beecroft ist weit davon entfernt, überzeugen zu wollen, oder etwaige Botschaften zu vermitteln. Die mit der Darstellung eines weiblichen Idealbildes verbundene Provokation, die früherer weiblicher Performancekunst ein Gräuel war, ist in der postfeministischen Performance der springende Punkt. Beecrofts Arbeit steht und fällt mit dem äußeren Erscheinungsbild, den Frauenkörpern. Die Visualität des Ereignisses ist das Entscheidende, nicht seine Textualität.

Das Beecroft-Team

Beecrofts reist mit einer Truppe von ProfessionistInnen, die ModeberaterIn, LichtdesignerIn, VisagistIn, FotografIn und AufnahmeleiterIn umfasst, die alle für einen reibungslosen Ablauf der Shows verantwortlich sind. Die Performances werden vor Ort auf Video gefilmt und fotografiert.

Die Galerie Meyer Kainer zeigt bis auf weiteres Filme und Standfotos aus Performances in Leipzig und aus dem Guggenheim Museum sowie den Film von der am 16.2. stattgefundenen Performance in der Kunsthalle.

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