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Kunstberichte
Kunsthaus Zürich: Erste Station der Werkschau "Thomas Struth. Fotografien 1978– 2010"

Mit staunenden Augen

Thomas 
Struths Foto "El Capitan, Yosemite National Park", 1999. Foto:
 Kunsthaus Zürich

Thomas Struths Foto "El Capitan, Yosemite National Park", 1999. Foto: Kunsthaus Zürich

Von Joachim Lange

Aufzählung Die erste große europäische Werkschau des 1954 geborenen deutschen Fotografen Thomas Struth hat eine verführerische Dramaturgie. Sie beginnt gleich mit einer selbstreferentiellen Pointe. Im Kunsthaus Zürich empfängt die Zuschauer unvermittelt ein Riesenfoto mit Museumsbesuchern, die in Florenz gerade Michelangelos "David" bestaunen.

Das Foto gehört zu der Serie "Audiences" aus dem Jahre 2004, das wie eine Fortsetzung seiner "Museum Photographs" wirkt, mit denen er vor 20 Jahren auf sich aufmerksam machte. Bei diesen Aufnahmen vor Meisterwerken im Pariser Louvre, im Kunsthistorischen Museum in Wien oder im Prado in Madrid blickte die Kamera gleichsam mit den Betrachtern auf die Bilder und zeigte beide.

In der Serie von Zuschauerbildern, die ab 2004 in der Florentiner Galleria dell’Accademia oder in der Heremitage in St. Petersburg entstanden, hat er dann sozusagen aus der Perspektive der Kunstwerke fotografiert. Jetzt sieht man die Meisterwerke nicht mehr, sondern nur noch das, was sie im Auge des Betrachters auslösen. Auf solche Korrespondenzen verweist die Ausstellung auch bei anderen Werkgruppen und Serien. So korrespondieren die jüngsten Arbeiten mit ihrem Blick in die verwirrend chaotischen Details von Industrieanlagen oder Schaltzentralen und mit Beispielen von urbanen Landschaften durchaus mit den Schwarzweiß-Fotografien vom Ende der 70er Jahre mit menschenleeren Straßenzügen im Ruhrgebiet oder in New York.

Opulenten Fotos von paradiesischer Naturwildnis

Struth fotografiert Straßen und Stadtlandschaften. Technische Details und Andachtsstätten. Aber auch Familien. Unter diesen immer wie inszeniert wirkenden Porträts findet sich auch eins der Familie des deutschen Malerstars Gerhard Richter, bei dem Struth Malerei studiert hat. Er war dann einer der ersten Studenten von Bernd und Hilla Bechers Fotografie-Klasse an der Düsseldorfer Kunstakademie. Beides merkt man der dokumentarischen Aura seiner Werke durchaus an. Die einzelnen Motive stammen dabei immer aus verschiedenen Teilen der ganzen Welt.

Das gilt auch für den Ausstellungsraum mit den Paradies-Bildern. Diese besonders opulenten Fotos von menschenleerer Naturwildnis stammen – wie auf den ersten Blick auch vermutet – tatsächlich aus dem tropischen Regenwald. Eins stammt aber auch aus Bayern. Hier protokolliert die Kamera einerseits die Verschiedenartigkeit der Welt. Durch die spürbare Distanz zum Konkreten aber, die bei Struths Werken immer mitschwingt, verschwinden diese Unterschiede zu einem Teil wieder durch den Blick des Fotografen.

Struths Bilder schauen auf die Welt und staunen. Den Versuch, diese zu erklären, machen die mehr als 100, meist großformatigen Fotos nicht. Das bleibt dem Betrachter überlassen.

Nach Zürich geht die Ausstellung nach Düsseldorf (ins K20 vom 26. Februar bis 19. Juni 2011), nach London (Whitechapel Gallery vom 6. Juli bis 16. September 2011) und dann nach Porto (Museu

Fundacao Serralves vom 14. Oktober bis 2011 bis 29. Jänner 2012)

Aufzählung Ausstellung

Thomas Struth. Fotografien 1978– 2010
Kunsthaus Zürich
http://www.kunsthaus.ch
bis 12. September 2010

Printausgabe vom Freitag, 23. Juli 2010
Online seit: Donnerstag, 22. Juli 2010 17:16:00

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