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Kunstberichte

Das Wiener Leopold Museum zeigt zum 140. Geburtstag von Albin Egger-Lienz eine spannende Werkschau

Monumentale kantige Antihelden

Kantige Gesichter und schroffe Landschaft gibt es auch in Egger-Lienz’ „Nordfrankreich“ aus 1917 (Privatbesitz).  Foto: Leopold Museum

Kantige Gesichter und schroffe Landschaft gibt es auch in Egger-Lienz’ „Nordfrankreich“ aus 1917 (Privatbesitz). Foto: Leopold Museum

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Der 1868 in Osttirol geborene Ingenuin Albuin Trojer, der sich ab 1877 Egger und später mit Künstlernamen Albin Egger-Lienz nannte, hat diese Schau zu seinem 140. Geburtstag mit Gegenüberstellungen zu Auguste Rodin, Constantin Meunier oder Ferdinand Hodler verdient.

Rezeptionsgeschichte und Restitutionsverfahren haben seine eigenwillige Monumentalität immer wieder in ein Naheverhältnis zum NS-Regime gebracht. Doch ist seine Welt der Tiroler Bauern, Arbeiter und sind auch seine Antikriegsbilder und Totentänze als Kommentare zum 1. Weltkrieg keineswegs mit den ästhetischen Vorstellungen Adolf Hitlers kompatibel gewesen. So hat dieser "Mann und Weib", das er von der Kärntner Gauleitung geschenkt bekam, 1939 unverzüglich als Leihgabe der Kärntner Landesgalerie übergeben lassen. Allerdings hat sich eine Tochter Egger-Lienz’ vereinnahmen lassen, die Bauernbilder wurden dadurch in den Texten des NS-Mythografen Alfred Rosenberg wesentlich. Das hat dem schon 1926 verstorbenen Künstler nachhaltig geschadet.

Bezüge zur Secession

Besonders gelobt wurde Egger-Lienz allerdings auch von der Gegenseite: Leo Trotzki sah seine dramatisch reduzierten Kompositionen in "einer Art Ziegelton" als Meisterwerke der revolutionären Moderne.

Die Reduktion beeinflusste auch die "Pittura metafisica" in Italien, vor allem Carlo Carrà. Es gilt also nun, sich mehr den Anteilen des Künstlers an der Moderne in Österreich zu widmen. Die sichtbaren Bezüge zur Secession folgen in seiner Wiener Zeit auf die Anfänge in der Münchner Akademie. Dabei ist ihm sein Studienkollege Franz von Defregger in Maltechnik und dem Thema der Tiroler Befreiungskriege am nächsten.

Enorme Eigenwilligkeit

Im Wiener Hagenbund sah der Künstler den damals hochgeschätzten Bildhauer Meunier und orientierte seine ersten Totentänze an dessen Relief-Entwürfen für ein Arbeiterdenkmal in Brüssel. Doch auch "Die Bürger von Calais" von Rodin und die Sämänner von Vincent van Gogh, die wie die Bilder Hodlers in der Secession um 1904 präsentiert wurden, haben diese Phase von Egger-Lienz bestimmt. Seine eigenen Sämänner, aber vor allem die vielen Variationen der Schnitter sind hier erstmals nebeneinander zu sehen. Für Sammler, Direktor und Kurator Rudolf Leopold sind immer die ersten Fassungen entscheidend.

Ab etwa 1908 ist Eggers Stil von enormer Eigenwilligkeit, auch im technischen Vorgang – die Vorbilder verschwinden hinter seinem Interesse an blockhafter Form. Die trockene Kaseintechnik dominiert neben pastosem Farbauftrag mit breitem Pinsel. Vordergründig ist das Expressive, das die oft in dynamischen Diagonalen angelegten Kompositionen auszeichnet. Ernst Barlach, Max Beckmann, aber auch Käthe Kollwitz oder Wilhelm Lehmbruck stehen ihm in seinen Antikriegsbildern nahe.

Die monumentalen Spätwerke wie "Der Pflüger" oder "Pietà" – das Werk, mit dem er seine Malerei für beendet erklärte –, machen sein Manifest "Ich male keine Bauern, ich male Formen" verständlich. Der Tote auf dem Bauerntisch ist eine moderne Version nach Mantegnas berühmtem Christus auf dem Salbstein und auch mit Michelangelos heroischer Figurenauffassung ist Egger-Lienz verglichen worden. Die Schau hat ein großes Begleitprogramm und der Katalog stellt sich den heiklen Fragen, die das Werk bis heute umgeben.

Albin Egger-Lienz

Leopold Museum

Museumsplatz 1, 1070 Wien

Bis 29. Mai

Täglich 10 bis 18 Uhr,

Do 10 bis 21 Uhr

http://www.leopoldmuseum.org

Donnerstag, 14. Februar 2008

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