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Kunstberichte

Pathosformel der Nebenschauplätze

Secession und U-Bahn-Westpassage: Arbeiten von Andree Korpys/Markus Löffler und Zbynek Baladrán
Illustration
- Die konspirative Atmosphäre trifft auf kritische Reflexionen der Gegenwart: Die Secession zeigt Arbeiten von Korpys/Löffler.  Foto: Pez Hejduk/Secession

Die konspirative Atmosphäre trifft auf kritische Reflexionen der Gegenwart: Die Secession zeigt Arbeiten von Korpys/Löffler. Foto: Pez Hejduk/Secession

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Die Ära von Barbara Holub als Präsidentin der Secession war kurz. Die Änderungen im Ausstellungsbetrieb werden mit ihrem interessanten Programm noch ein Jahr sichtbar sein: Besucher treffen in der Westpassage der U-Bahn-Station Karlsplatz auf eine Glasvitrine, die mit einer unabhängigen Projektreihe bespielt wird. Die ehemaligen Räume des Cafés im Keller waren schon zuletzt für wandelbare Strukturen genützt worden. Nun starten dort "6 Sessions. Sound, Screenings, Lectures, Performances", die Nicolas Jasmin, die Komponistin Olga Neuwirth und Rita Vitorelli konzipiert haben.

"Footnotes" heißen die Beiträge für die Vitrine in der Passage, die Hajnalka Somogyi aus Budapest kuratiert. Die erste künstlerische Befragung um das Verhältnis Haupthaus und Nebenschauplätze ist das "Glossary" von Zbynek Baladrán aus Prag, Teilnehmer der Manifesta 5 im Jahr 2004, Artist in Residence im "quartier 21" in Wien 2006.

"Fußnote" befragt sich selbst in ihrer sprachlichen Verwendung einer tief schürfenden Anmerkung zu einem Text. Hier wird sie auf die räumliche Disposition zum Kunsttempel Secession übertragen und es wird auf die Tatsache hingewiesen, dass zeitgenössische Kunst die Umgebung einbezieht. Mit der interessanten Text-Diagrammarbeit, in deren Zentrum es um die Utopie einer besseren Gesellschaft geht, verbindet Baladrán soziale Randgruppen, das Büro der Streetworker, mischt Passanten und Kunstpilger.

Das Duo Korpys/Löffler aus Berlin und Bremen zeigt sechs filmische Arbeiten von 1996-2007. Die jüngste ist ortspezifisch und bezieht sich auf die Familie Wittgenstein und ihre Bezüge zur Secession. Vor allem sind die strengen Bauideen des Philosophen Ludwig Wittgenstein nun in die kreuzförmige Teilung des Hauptraums verwoben. Innen und Außen werden im Zugangskorridor und Zwischenraum vertauscht, auch im Film sieht man durch die Aufhängevorrichtung des Beethovenfrieses von Gustav Klimt auf die internationalen Besucher.

Die Künstler sind mit ihrem Ins-Visier-Nehmen von World Trade Center, Bau der United Nations und des Pentagon 1997 nach 9/11/01 bekannt geworden. Sie spüren jedoch nicht als Hellseher, sondern als kritische Zeitzeugen auch dem Vorgehen bei Staatsbesuchen, den G8-Gipfeltreffen Heiligendamm oder nächtlichen Nukleartransporten von Gorsleben nach. Dabei lassen sie sich als Journalisten akkreditieren und filmen scheinbare Randnotizen, die sich aber meist zu Pathosformeln erheben.

Dabei nützen sie die nächtliche Stunde, aber auch, wie in ihrer Bootsfahrt quer durch Berlin, Eingriffe in die Realzeit, weiters Musik und Flüsterstimme. Sie erzeugen eine konspirative Atmosphäre, die kaum wieder loslässt. Eine spannende Installation, die den wichtigen zweiten, den ambivalenten Blick freilegt.

Secession

Andree Korpys / Markus Löffler, Zbynek Baladrán

Sessions am 28. Nov.; 5. und 13. Dez.; 9 und 16. Jan.;

jeweils 19 Uhr

Zu sehen bis 27. Jänner

Empfehlenswert.

Mittwoch, 28. November 2007


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