Salzburger Nachrichten am 12. August 2006 - Bereich: Feuilleton
Ihre Arbeit lieben

Die Iranerin Shirin Neshat verließ mit 17 Jahren ihre Heimat, um in den USA Kunst zu studieren. Als Khomeini 1979 die islamische Revolution ausrief, lebte sie in Los Angeles und konnte erst einmal nicht in ihre Heimat zurückkehren. ULRIKE GUGGENBERGER

Ihre Fotoarbeiten, ihre Videos, ihre Filme - bestechend präzise, konkret und eindrucksvoll ästhetisch - rühren allgemein an den menschlichen Grunderfahrungen. "Ich gehe immer von der Situation aus, meine Arbeiten sind stark visuell geprägt, das Bild allein sagt alles aus."

Shirin Neshat, 1957 in Oazvin im Iran geboren, hat mit 17 Jahren das unter Schah Reza Pahlevi westlich orientierte Persien verlassen, um in Kalifornien Malerei zu studieren.

Noch war dies nicht das Medium, mit dem sie an die Öffentlichkeit trat - und sie wartete ab. 1990 kehrte Shirin Neshat für kurze Zeit nach Persien zurück und fand nicht mehr dasselbe Land vor, das sie einst verlassen hatte. Nun, unter einer neuen Regierung, herrschten repressive Zustände, die von Shirin Neshat, die aus dem freien Westen auf Besuch kam, als äußerst beklemmend wahrgenommen wurden. Diese Betroffenheit löste in ihr eine Barriere. In der Fotografie fand sie eine Sprache, sich aus der Erstarrung zu befreien.

Die porträtierte Frau ist sie selbst Ihre großformatige Porträtserie in Schwarz-Weiß, "Women of Allah" von 1996, wird auch sofort weltweit in ihrem Inhalt verstanden und rezipiert. Verse in Farsi-Schrift bedecken die vom muslimischen Gesetz erlaubten freien Körperstellen einer Frau, Teile des Gesichtes und der Hände. Die porträtierte Frau ist Shirin Neshat selbst. Zwei, drei Arbeiten sprechen das Thema Gewalt an, eine Kalaschnikow, als solche nicht sofort erkennbar, ist versteckt auf den Betrachter gerichtet.

In ihren nachfolgenden Film- und Videoarbeiten behält Shirin Neshat ihren prägnanten bildnerischen Ausdruck bei. Keine unnötige Staffage, archaisch anmutende Szenen in der Wüste, am Meer, in engen Gassen, auf einer Festung. Männer und Frauen stehen einander stumm gegenüber: ein zaghaft einsetzender Gesang der Frauen durchbricht die unsichtbaren Grenzen. So präsentiert sich 1999 ihre in Marokko produzierte Video-Arbeit "Rapture", zeitgleich auf zwei gegenüberliegenden Projektionsflächen vorgeführt.

Begleitet von ihrer tiefen Freundschaft zur iranischen systemkritischen Schriftstellerin Scharnusch Parsipur, die heute, wie Shirin Neshat auch, in New York lebt, werden ihre Arbeiten immer persönlicher und erzählerischer. Vom Typus her entwickeln sie sich zur Darstellung des Einzelschicksals. Beispiel dafür ist der Film "Tuba", nach dem gleichnamigen Roman von Scharnusch Parsipur. Das 2002 in Mexiko produzierte Werk wirft ein Licht auf das enge gesellschaftliche Korsett, in dem Tuba, eine wache, interessierte iranische Frau lebt und erdrückt wird.

Mit diesem Wechsel von der Schwarz-Weiß-Fotografie über Video zum Farbfilm stellt sich Shirin Neshat einer weiteren künstlerischen Herausforderung. Immer intensiver taucht sie in die Geschichte des Landes, in dem sie geboren wurde, ein, versucht die religiösen und politischen Entwicklung nachzuvollziehen. Gleichzeitig wird sie mehr und mehr zur Weltbürgerin, das zeigen auch ihre Drehorte.

Um globale Themen, nicht nur um den Iran Im Iran bleibt es für sie aus verschiedenen Gründen auch weiter schwierig, ihre Projekte durchzuführen. Zunehmend geht es ihr nicht mehr nur um die Geschlechterfrage, es geht ihr um den einzelnen Menschen: "In meiner Arbeit heute geht es mir um globale Themen, nicht allein um den Iran."

In diesem Jahr leitete Shirin Neshat in Salzburg einen Media-Workshop an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst. Ihr Unterricht baut wesentlich auf den grundlegenden Zugangsweisen des Sehens auf. Die von ihr an die Studierenden gestellte Gruppenaufgabe ist, einen 3-Minuten- Film zum Thema "Grenze" zu drehen.

Bei der anschließenden Diskussion wird deutlich, wie schwierig es ist, bei sich zu bleiben und doch der Gruppe anzugehören. Shirin Neshat kennt diese Probleme aus eigener Erfahrung: "Man darf niemals in seiner künstlerischen Arbeit einen Kompromiss schließen." Auf die Frage, warum sie glaube, dass so viele Menschen ihre Arbeit liebten, antwortet Shirin Neshat spontan: "Weil sie emotionalen Zugang dazu haben." Open House: Festung Hohensalzburg: Schlussausstellung, Freitag, 18. 8., 10-18; Hallein, Alte Saline, Pernerinsel: Schlussausstellung, Freitag, 25. 8., 10-18.