VN Mi, 17.5.2006

Politik
Lokal
Sport
Markt
Kultur
Magazin
Welt

Chronik
Leserbriefe

Karriere
VN-Heimat

Anzeigen
eVN.vol.at
eVN-Offline

Leser
werben Leser






Kultur 

MEINUNG

Kunst und Demokratie

In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, in der Zeit der 68 er-Generation, gab es immer wieder Versuche, Kunst zu demokratisieren. Im Versuch, möglichst viele politische Barrieren niederzureißen, wollte man diese Haltung auch auf die Kunst übertragen. Von Hochkultur war die Rede, von einer Kultur also, die nur für bestimmte Schichten erreichbar, auch nur für sie finanzierbar war. Von unten herauf wollte man das alles ändern, vom Volk ausgehend, demokratisch eben. Manches wurde dabei erreicht, nicht zuletzt, daß die Politik mehr Augenmerk auf alternative, auf neue, auf zeitgemäße Kunst legte, daß sich damit die Förderschwerpunkte verschoben, daß sie auch zeitgemäßen Formen der Kunst zugute kamen. Gescheitert ist der Versuch, die Kunst im wirklichen Sinne des Wortes zu demokratisieren. Das war keine Überraschung. Das Scheitern war vorprogrammiert.

Kunst entsteht nicht aus einem allgemeinen Bedürfnis heraus, Kunst entsteht, weil eine Künstlerin, weil ein Künstler aus sich heraus das produziert, das ihr, das ihm wichtig erscheint. Nicht das Werden ist öffentlich, erst die Präsentation vor Publikum macht Kunst allgemein zugänglich - und damit allgemein bewertbar. Das Problem aber ist, daß diese Öffentlichkeit in ihrer Gesamtheit nicht in der Lage ist, die Wertigkeit von Kunst richtig einzuschätzen. Denn Voraussetzung dafür wäre, daß man sich vorher mit der Sache auseinandergesetzt hätte. Das aber ist - nicht nur bei uns - kaum der Fall. Ganz im Sinne von Gottfried Benn, der gemeint hat: "Große Kunst wird zwar immer aus sich alleine entstehen, aber ein Volk für sie fähig zu erhalten, dafür bedarf es einer gewissen Pflege von Wissen und einer Erziehung zu gedanklicher Aufmerksamkeit." Diese Pflege findet nicht in der Politik, kaum in der Schule und meist auch nicht in der Familie statt. Zumindest nicht in ausreichendem Maße.

Kunst ist, um es einfach zu sagen, nicht mehrheitsfähig. Außer wir sprechen von längst Abgesichertem, von der griechischen Klassik, von der italienischen Renaissance, von Mozart oder Schubert, von der deutschen Klassik, von den Impressionisten. Diese Übereinstimmung der Anerkennung, die aber nicht aufgrund von Wissen, sondern nur über tradierte Vorstellungen zustande kommt, fehlt völlig bei zeitgenössischer Kunst. Am lokalen Beispiel kann man das zeigen: Hätte man, beispielsweise, das Kunsthaus Bregenz vor seinem Bau einer Volksabstimmung unterzogen, so stünde an diesem Platz heute ein Parkhaus, kein Kunsthaus.

Auch derzeit bietet das Kunsthaus ein Beispiel, die Ausstellung der Gruppe "gelitin". Hoch gingen die Wogen, oft weit unter der Gürtellinie waren die Angriffe gegen Künstler und sonst Verantwortliche. Da zeigte sich Volkesstimme, in SMS-Votings, in Leserbriefen, in bösartigen Telefonaten und Beschimpfungen. Und nun, just zu diesem Zeitpunkt, nach diesen unerfreulichen Erfahrungen, will der Vorarlberger Künstler Marbod Fritsch seine Arbeit "Separation Point", eine Schranke im See, geplant am Harder Ufer, einer Art Volksabstimmung via SMS unterziehen. Das ist, mit Verlaub, schlichtweg ein Unsinn. Kunst entzieht sich solcher Abstimmung. Die Menschen mögen Kunst bewerten, wenn sie gezeigt wird, sie mögen sich mit ihr aber auch auseinandersetzen. Und sie mögen sie dann annehmen - oder auch nicht. Darin besteht die Demokratie in der Kunst.

VON WALTER FINK




Kultur 

Zum Seitenbeginn