ARIANE GRABHER
Vaduz (VN) Erstmals wurden im Kunstmuseum Liechtenstein
gleichzeitig zwei neue Ausstellungen eröffnet. Während der
irischstämmige Maler Sean Scully an seiner "Architektur der Farbe"
baut, schickt der schwedische Künstler Matts Leiderstam den Besucher
auf eine "Grand Tour". Im Malen und Reisen erschöpfen sich die
gemeinsamen Inhalte der beiden Ausstellungen auch schon. Mehr ist
auch nicht nötig, denn beide Präsentationen kreisen um zwei starke,
eigenständige und eigenwillige künstlerische Positionen.
Streifen und Felder
Konsequent hat sich Sean Scully (geboren 1945) einem radikalen
bildnerischen System verschrieben. Den autonomen Ausdrucksqualitäten
der Farbe und der Tradition der Klassischen Moderne verpflichtet,
malt der Künstler seit mehr als zwanzig Jahren Streifen und Felder.
Der expressive Farbauftrag bildet einen scheinbaren Gegenpol zu den
einfachen Formen und der Geometrie eines strengen Bildaufbaus, die
das architektonisch charakterisierte Werk prägen. Die abstrakte
Malerei in eine neue, poetische Dimension überführend, verbindet die
Farbe als kompositorisches, aber mehr noch als konstruktives
Element, die unterschiedlichen Werkgruppen aus den vergangenen vier
Jahrzehnten. Der Schau in Vaduz kommt dabei das Verdienst zu, das
nahezu unbekannt gebliebene Frühwerk an das international bekannte
Schaffen anzukoppeln. Mit dem kleinformatigen, gegenständlichen
Ölbild "Cactus" von 1964 und den zarten Streifen im Bildhintergrund
gelingt ein charmanter Einstieg. Es folgen opulente Werke, große
Formate, aus allen Schaffensphasen, deren Hängung die Entwicklung
des Werkes gut nachvollziehbar macht.
Blick hinter die Bilder
"Grand Tour", der seit 1996 entstehende Werkkomplex von Matts
Leiderstam (geboren 1956), schließt im Titel an die populäre
Kulturreise des 17. bis 19. Jahrhunderts an. Verknüpft mit den
Gemälden der hauseigenen Sammlung, richtet Leiderstam in Vaduz ein
Studierzimmer ein. Ausgestattet mit optischen Geräten, schärft er
hier den Blick für die Bilder und die erstaunlichen, hinter den
Bildern verborgenen Geschichten, indem er das Gemälde selbst dem
direkten Blick entzieht - sei durch die hohe Hängung knapp unter der
Raumdecke oder die Wiedergabe im Katalog. Fernrohre vermitteln
zwischen Nähe und Ferne, Diapositive verbinden die leicht
veränderten Kopien Leiderstams mit den Originalen in den Katalogen
und auf den Monitoren. Auf erstaunliche Weise gelingt es Leiderstam
dabei, in seiner ureigenen Arbeitsweise in die Rolle des Künstlers
und des Betrachters zugleich zu schlüpfen. Im Spiel mit den
Deutungen der traditionellen Kunstgeschichte reizt er den Raum
zwischen Original und Kopie aus, und zeigt auch, wie wichtig das
eigene Sehen und die Fantasie, die der Betrachter mitbringt, sind.