VON WALTER FINK
Es war vor ziemlich genau vierzig Jahren, als drei Künstler -
Otto Piene, Yves Klein und Heinz Mack - in einem Zug von Düsseldorf
nach Antwerpen saßen. Sie sprachen über Kunst, über Kunst im
öffentlichen Raum. Piene erzählt dazu: "Wir meinten, auf
öffentlichen Plätzen wären ‚Plastiken‘ einzurichten, die aus Luft,
Wasser, Eis und Feuer bestehen und in ständiger Veränderung
begriffen sind. Sie könnten gleichzeitig zum Klimatisieren dienen
und würden dadurch die gewohnten ‚Denkmäler‘ mehr als ersetzen." Und
in einem Katalog zu einer Ausstellung in Deutschland hat der
englische Bildhauer Tony Cragg Ende der achtziger Jahre gemeint:
"Der Künstler ist ein Spezialist in einem Bereich, den er selbst
definiert. Dieser Bereich ist eine Mischung aus Objektivität,
Irrationalität und Subjektivität. Der Künstler, durch die Erfindung
eines dichteren, komplexen Vokabulars, trägt zum Verständnis der
Welt bei."
Morgen beginnen die "Bizauer Gespräche", die unter dem Thema
"Kunst und Architektur" stehen. Eröffnung ist um 19 Uhr durch
Landeshauptmann Herbert Sausgruber, anschließend folgt eine Lesung
mit Friedrich Achleitner. Der Freitag steht von zehn bis 22 Uhr im
Zeichen von Referaten und Diskussionen, am Samstag Vormittag werden
speziell Vorarlberger Themen behandelt. Einer möglichen Einstimmung
auf Bizau sollen auch diese Zeilen dienen: Statements von Künstlern
und Architekten zu Kunst und Bau sowie Kunst im öffentlichen Raum.
Alle Zitate sind dem Buch "Bildhauertheorien im 20. Jahrhundert" von
Eduard Trier (Gebrüder Mann Verlag) entnommen.
Schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts kritisierte die
Bildhauerin Germaine Richier, daß Kunst in der Öffentlichkeit kaum
mehr Platz habe: "Damit unsere Zeit und das Publikum zu einem
Verständnis der heutigen Werke gelangen, müßte die Plastik wieder an
jene Stellen gesetzt werden, die ihr - man fragt sich warum -
verwehrt worden sind: große öffentliche Plätze, Gärten, Theater,
Gebäude, Stadien." Eine Meinung, die von Donald Judd später nicht
geteilt wurde: "Die Kategorien ‚öffentlich‘ und ‚privat‘ haben für
mich keine Bedeutung. Die Qualität eines Werkes kann weder durch die
Bedingungen, unter denen es ausgestellt wird, noch durch die Anzahl
der Leute, die es sehen, verändert werden." Und der der gleichen
Generation angehörende Claes Oldenburg ergänzt: "Eine Skulptur im
Freien sollte das unabhängige Werk sein, das jedes Museumsobjekt
ist. Es sollte keine besondere Funktion haben außer der, sich selbst
zu sein."
Vor über siebzig Jahren erschien der Artikel "Architektur,
Ateliermalerei und Plastik" von Kasimir Malewitsch: "Die Architektur
ist für den Plastiker insofern von großer Bedeutung, als sie den
Raum schafft, in dem sich Plastik entfaltet. Die Plastik leitet ihr
System direkt aus architektonischen Formen ab." So abhängig von
Architektur wollte sich der deutsche Bildhauer Georg Kolbe um 1950
nicht sehen: "Plastik ist nicht Dekorationselement der Architektur,
sondern selbständiges Kunstwerk." Philipp Harth ging zwanzig Jahre
später noch weiter: "Innerhalb des modernen Architekturschaffens
zeigt sich eine Unfähigkeit, die Plastik in die Architektur
einzuordnen." Dagegen wiederum der große Franzose Henri Laurens:
"Die Plastik hat ihren Ort in den Baudenkmälern, die sie am Leben
der Menschen teilhaben lassen. Sie ist der natürliche Verbündete der
Architektur, sie ist es immer in den großen Kunstepochen gewesen."
Und zum provokanten Abschluß der Altmeister der Architektur, Le
Corbusier: "In und außerhalb des Gebäudes gibt es einen mathematisch
bestimmbaren Platz, der konzentriert das Gesamte aufnimmt. So ist es
auch mit dem für die Skulptur prädestinierten Platz bestellt. Von
hier aus wird die Stimme, das Wort hinausgetragen. Tritt ein,
Bildhauer, wenn es überhaupt der Mühe wert ist, daß Du redest." Dies
alles nur als Anregung für die Gespräche in Bizau.
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Die Meinung des Gastkommentators muss nicht mit jener der
Redaktion übereinstimmen. Auf Wunsch des Autors erscheint sie in der
alten Rechtschreibung.