Mit Schwan, mit Geige, mit Flöte und Drachen: So hat der
amerikanische Mode- und Werbephotograph David LaChapelle die isländische
Popsängerin Björk festgehalten, und mit diesen Attributen wird sie in 2000
Jahren in der "Mythologie des späten 20. Jahrhunderts" aufscheinen.
Auch wenn er zu klug ist, um das so klar zu sagen: David LaChapelle
arbeitet an einem neuen Olymp. Seinen Stars - und, natürlich, Lehrmeister
Andy Warhol schau herunter, sind alle Stars - gewährt er Unsterblichkeit.
Des Fleisches, des entfalteten, enthaarten, silikonisierten, haltbaren,
perfektionierten Fleisches. Im Setting erinnern manche Aufnahmen an das
berühmte Cover von Jimi Hendrix' "Electric Ladyland", nur: Hier hängt
nichts, hier ist alles glatt. Die "Silicone Injection" - so ein Werktitel
- war erfolgreich.
Wie fleischlich dieses geformte Fleisch, wie organisch
diese gebauten Körper dann noch sind, das ist die einzige Unwägbarkeit,
Unschärfe in seinen Inszenierungen. Alles andere ist wägbar und scharf.
Wenn David LaChapelle Symbole verwendet, braucht man kein Unbewußtes zu
bemühen: Drew Barrymore entblößt eine Brust, um sie gruppiert sind halbe
Orangen mit kleinen Kirschen in der Mitte; vor der Scham der Melon liegt
eine Melone, aus der rot eine Spalte geschnitten ist; Eminem hält eine
Dynamitstange an Statt des Phallus. Saubere Gemächte: In olympischer
Unschuld wird hier das Loblied der Genitalien gesungen.
Ob sie noch zeugen? Verdammt diese Unsterblichkeit nicht
zur Unfruchtbarkeit? Auf "Giving Birth - The Shoe Story" hält die Hebamme
das Neugeborene an den Füßen - die Füße der Mutter, über dem Tisch mit dem
silbernen Operationsbesteck, stecken in goldenen Stöckelschuhen. Geburt
des Heros: eine Pose.
Solche heroischen Posen sind grundsätzlich niemals
lächerlich: Selbst Pamela Anderson im Terrarium oder mit auf dem
plastischen Körper drapierten Sternen ist für LaChapelle eine strenge
Statue; selbst Elton John erhält eine Portion Würde, beim Frühstück vor
dem Notenblatt, mit sorgfältig hinter den Brillen drapierten Spiegeleiern.
Parade der Puppen
Und Britney Spears, die aktuelle Pop-Puppe? Erraten: Sie
posiert vor einer mit Puppen drapierten Kredenz. Ebenfalls eine Puppe hält
David Bowie im Arm, mit irrem Blick, in einem Operationssaal, als sei ihm
gerade die Homuncula geglückt, das endgültige Model. Sagen des klassischen
Pop-Age: Dazu zählt LaChapelle auch die traurig-schaurige
Kolportage-Geschichte einer Sexfilm-Darstellerin namens Savannah. Das
letzte Bild der Photoroman-Serie heißt "Resurrection", Auferstehung:
Savannahs Körper liegt, im Tod noch photogen, neben dem mörderischen Auto,
daneben steigt ihr Bild verschleiert gen Himmel. Pornographie (von
griechisch "porne", die Hure) im wörtlichen Sinn. Hier hat sich das Bild
vom Fleisch gelöst - befreit? Transzendiert im platonischen oder
christlichen Sinn gewiß nicht.
Am plakativsten wird das Motiv des Fleisches, das sich
durch die Ausstellung zieht, in "Meat" dargestellt: Das Model, einen
Teller mit Wurst (Diätportion!) vor sich, räkelt sich auf dem Bett.
Daneben liegt die Hälfte eines toten Schweines. "Wir sind alle aus Sternen
gemacht", singt der ebenfalls von LaChapelle porträtierte Moby. Doch der
Sternenstaub ist zu Aminosäuren, zu Proteinen geworden, die auf den
Schlächter warten. Pin-up als memento mori: hart.
Bis 22. 9., täglich 10 bis 19 Uhr.
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