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Provokation von links: Let's get dirty!

06.09.2011 | 18:26 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Am Freitag wird dem Duo „Dolce & Afghaner“ der Performance-Preis des Landes NÖ verliehen. Mit dem Plakat „Hamam statt Daham“ wurde es bekannt. Ein Interview.

Die Presse: Mit Ihrem Plakat „Hamam statt Daham“ haben Sie für viel Aufregung und Ablehnung gesorgt. Dabei ist es zumindest ästhetisch recht hintergründig, verwandelt die Karlskirche als Symbol der abgewehrten Türkenbelagerung in eine Moschee, zeigt Feministinnen beim fäkalen Befreiungsakt und beschwört nächtliche Hamam-Bewohner, die Dschinns.

Amir Fahim: Das Plakat ist eine Antwort auf Straches Spruch „Daham statt Islam“. Wir haben uns überlegt, was die Alternative zu so einem „Daham“ sein könnte. Da sind wir auf ein mobiles Hamam gekommen, ein Nest, das wir auch selbst beschmutzen, indem wir die Ladys hineinpinkeln lassen.


Gab es darauf auch negative Reaktionen von Migranten?

Djana Covic: Nein. Ein Friseur in Favoriten hat das Bild sogar aufgehängt, nur die Muschis hat er übermalt. Er findet es total geil, dass Afghanen einmal in so einem positiven Zusammenhang vorkommen. Seinen Kunden wollte er die Muschis aber nicht zumuten.

 

Die waren auch für viele andere eine Zumutung. Für die Rechte war die ganze Aktion eine Kampfansage.

Covic: Das auf jeden Fall. Gegen die Rechte hilft nichts anderes, als mit allen Mitteln zuzuschlagen, rhetorisch, politisch, kulturell.

 

Also Hass gegen Hass?

Covic: Ja, aber wir sind Vertreter des Dark Pop und haben den Anspruch auf schönen Hass, die Hass-Culture. Es muss doch auch um Provokation von links gehen. Die Debatte über Integration und Vielfalt ist hier eingeschlafen, das sind alles leere Worthülsen. Mir fehlt da ein bisschen die Positionierung von linker Seite. Und das gerade in Österreich, wo die Rechte so stark ist. Ich bin in Deutschland aufgewachsen und kann mich nicht erinnern, dass ich dort öfters gefragt wurde: „Und wo kommst du her?“, „Du kannst aber gut Deutsch für eine Ausländerin.“ Vor allem diese positiven Rassismen habe ich in dieser massiven Form erst in Wien erlebt. Diese Auseinanderdividierung von „guten“ und „schlechten“ Ausländern ist sehr eigenartig – wo fängt das an, wo hört das auf? Die ausländischen Biogenetiker, die in Labors vielleicht Affen quälen, sind okay. Aber diese dunklen Typen, die nicht einmal ordentlich Deutsch können, die nicht. Dieses Auseinanderdividieren ist das eigentliche Problem. Ob du jetzt aus Buxtehude oder Timbuktu kommst – I could not care less.

Und woher kommen Sie?

Covic: Schon bei der Frage wächst mir so ein Bart – meine Eltern sind Jugos, bosnische-herzegowinische Kroaten, die in Deutschland leben, wo ich aufgewachsen bin, aber ich studiere und lebe seit Jahren in Wien. Ich habe überhaupt kein Verlangen, mich die ganze Zeit zu identätowieren.

Sie sind ziemliche Begriffsschleudern – bitte auch um Begriffsklärung: Was versteht man unter Dark Pop?

Covic: Das ist Provokation von links. Das Ein- und Aufmischen von Verhältnissen. Wir sind da eher Roundhouse-Kick-artig.

Was bitte ist ein Roundhouse-Kick?

Covic: Den hat der Schauspieler Chuck Norris, der immer so ramboeske Rollen spielt, erfunden. Er kann diesen Kick so schnell ausführen, dass er quasi die Lichtgeschwindigkeitsschranke durchbricht und sich gestern schon selber trifft. Das ist eine ganze Subkultur. Wirklich noch nie etwas von Chuck Norris gehört?

Sorry, da bin wohl bildungsfern.

Covic: Ha! Es geht um das Zuschlagen, Nachtreten, mit allem, was man hat. Um mental Wing-tsun, geistiges Judo, um Bastardisieren von Begriffen und Verhältnissen – let's get dirty.

Das hat in Wien eine schon mehr als ein halbes Jahrhundert alte Tradition, denkt man an die Wiener Aktionisten.

Covic: Jeder nimmt, was er hat, wenn er über keine anderen Waffen verfügt. Das machen die Eichhörnchen in New York auch so.

Und was meinen Sie, sagen die Wiener Aktionisten zu Ihren Performances?

Covic: Ach, die freuen sich bestimmt. Was soll der Geiz! Wir schätzen den Wiener Aktionismus als Vorlage.

Fahim: Als Vorlage, an der man sich umso mehr reibt. Wie bei den Österreichern und Deutschen – uns trennt die gemeinsame Zunge. Wenn wir uns auf Arschlöcher und Scheiße beziehen, dann hat uns dazu eher der poststrukturalistische Feminismus inspiriert, der einen Kommunismus des Anus ausgerufen hat, weil nur der demokratisch ist, den haben alle. Wir sind eher Pro-Dildokratie. Und das ist schon etwas ganz anderes als das, was der Wiener Aktionismus betrieben hat. Wir haben eine starke geschlechter- und migrationspolitische Seite – wir führen andere Kämpfe als in den 60er-Jahren, mit anderen Gegnern und anderen Öffentlichkeiten. Wir hängen unsere Plakate im zehnten und elften Bezirk auf.

 

Begonnen haben Sie aber im Umfeld der Kunstakademie, 2009 im Rahmen der Uni-Proteste.

Covic: Ja, wir haben die Performancebar Schnapsloch betrieben, gegenüber vom Semperdepot. In einem Haus, das schon als Bordell gebaut wurde. Wir würden gern in die Stadthistorie eingehen – ein Gedenkschild wäre schön.


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