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Kunstberichte
Schieles "Bildnis Wally" kehrt nach zwölfjährigem Gerichtsstreit aus New York nach Österreich zurück

Die Muse der Restitution kehrt heim

Bald 
wieder vereint: Das "Bildnis Wally" (hier ein Faksimile) und 
Schieles "Selbstbildnis mit Lampionsblumen" im Leopold Museum.
 Foto: apa

Bald wieder vereint: Das "Bildnis Wally" (hier ein Faksimile) und Schieles "Selbstbildnis mit Lampionsblumen" im Leopold Museum. Foto: apa

Von Christoph Irrgeher

Aufzählung Stiftung Leopold kauft das "Bildnis Wally" für 19 Millionen Dollar aus den USA frei.
Aufzählung Das Schiele-Gemälde lieferte den Anstoß zur Restitutionsdebatte.

Wien/New York. Auf den ersten Blick haben beide Seiten gesiegt. "Wir dürfen mit Freude mitteilen: Die ‚Wally‘ wird nach Österreich zurückkehren", jubelt der kaufmännische Direktor des Leopold Museums, Peter Weinhäupl. Die Gegenseite ist nach mehr als zehn Jahren Rechtsstreit in New York immerhin zufrieden: "Die Gerechtigkeit hat gesiegt", verkündeten die Erben der ursprünglichen Besitzerin von Schieles "Bildnis Wally," das ihr in der NS-Zeit abgepresst worden war. "Nach mehr als 70 Jahren wird das an Lea Bondi-Jaray begangene Unrecht endlich anerkannt und wenigstens teilweise wiedergutgemacht."

Die Kosten dieser Befriedung sind freilich enorm: 19 Millionen Dollar (14,8 Millionen Euro), so heißt es im Vergleich der Prozessparteien, zahlt die Leopold Museum Privatstiftung für den Rückerhalt jenes Ölgemäldes, das 1998 in New York beschlagnahmt worden ist. Die Zwischenfinanzierung übernimmt die Raiffeisen Landesbank Wien-Niederösterreich. Die Geldmittel sollen letztlich durch den Verkauf von Kunstwerken aus dem Bestand der Sammlung Leopold aufgebracht werden.

Ein ungetrübter Sieg ist das dennoch für keinen. Es vermittelt Symbolkraft, dass das Bild vor seiner endgültigen Rückkehr ab 29. Juli drei Wochen im Museum of Jewish Heritage zu sehen sein wird. Über den Umstand, dass die "Wally" letztlich doch nicht in die Hand der Erben zurückkehrt, kann das allerdings nicht hinwegtäuschen. Und auch der Sieg des mittlerweile verstorbenen Rudolf Leopold ist kein absoluter: Dass alle Vorwürfe von "A bis Z erlogen" sind, wie der streitbare Sammler zu Beginn der Kalamitäten behauptet hatte, lässt sich angesichts des nun geschlossenen Vergleichs wohl nicht halten.

Um 1920 ging das Bild an Bondi-Jaray, deren Galerie vor Beginn des Zweiten Weltkriegs arisiert wurde; die "Wally" aus ihrem Privatbesitz presste man ihr unter noch heute strittigen Umständen ab. Als Bondi-Jaray 1945 ihre Galerie zurückerhielt, fehlte das Werk. Den Behörden unterlief ein Fehler: Sie gaben die "Wally" an die Erben des ermordeten jüdischen Kunstsammlers Heinrich Rieger zurück. Diese wiederum verkauften das Ölgemälde an die Österreichische Galerie Belvedere, jene tauschte es 1954 gegen ein anderes Schiele-Werk von Rudolf Leopold.

Horrende Anwaltkosten

Seit die US-Ankläger die "Wally" mit dem Etikett "Raubkunst" versahen, kämpfte Leopold verbissen: Mehr als drei Millionen Euro betragen die Anwaltkosten seiner Partei in dem Rechtsstreit, der seit Dienstagabend Vergangenheit sein dürfte.

Klar gewonnen hat in diesem Konflikt dennoch etwas: nämlich das österreichische Problembewusstsein für das heikle Thema Restitution. Erst den Anschuldigungen aus Übersee war es zu verdanken, dass Ministerin Elisabeth Gehrer ihre Bundesmuseen auf ähnlich gelagerte Fälle durchforsten ließ. Auch das Kunstrestitutionsgesetz von 1998 hat Schieles "Wally" als Muse: Es ermöglichte letztlich so spektakuläre Restitutionen wie jene von Klimts "Goldener Adele" und Munchs "Sommernacht am Strand".

Ein Zeichen der Eintracht

Wären solche Fälle freilich früher abgewickelt worden, zu einem Zeitpunkt nämlich, bevor die Kunstmarktpreise ins schier Unermessliche schnalzten, sie würden einen hässlichen Verdacht weniger Nahrung bieten: Dass hinter Restitutionswünschen allein die Geldgier steckt – ein Vorurteil, das just zu jener dunklen Zeit passt, in der die ursprünglichen Kunstbesitzer enteignet wurden. Wie sehr es ihr tatsächlich um Gerechtigkeit geht, das vermittelte Marina Mahler bei der Munch-Restitution 2007 in einer berührenden Rede.

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In weiteren Restitutionsfällen um Dialogbereitschaft bemüht: Elisabeth Leopold und ihr Sohn, Diethard Leopold. Foto: apa/pessenlehner

Um Wiedergutmachung scheint nun auch die Sammlung Leopold bemüht. Zwar kann das Restitutionsgesetz der Privatstiftung nichts anhaben, doch der stetige Druck aus dem Kulturministeriums scheint allmählich Früchte zu tragen: Auf Empfehlung eines Expertengremiums sucht die Stiftung den Dialog mit den Erben weiterer restitutionswürdiger Bilder. Und es setzt zumindest ein Zeichen der Eintracht: Wenn das Schiele-Gemälde heimkehrt, erhält es Gesellschaft von einem Begleittext, den beide Prozessparteien akkordiert haben und der "Wallys" Geschichte erzählt.

Aufzählung "Bildnis Wally": Chronologie

9. Oktober 1997: Im Museum of Modern Art (MoMA) in New York wird die größte Schiele-Ausstellung, die je in den USA gezeigt wurde, eröffnet. 152 Werke aus der Sammlung Leopold sind zu sehen.
24. Dezember 1997: Der Sammler Rudolf Leopold wird in der "New York Times" beschuldigt, in seiner Sammlung Bilder mit "schwieriger Vergangenheit" zu haben. Leopold bezeichnet die Vorwürfe in einer ersten Reaktion als "Lügen von A bis Z".
7. Jänner 1998: Die Bilder "Bildnis Wally" und "Tote Stadt III" werden vom New Yorker Staatsanwalt Robert Morgenthau als "Diebsgut" beschlagnahmt. Erben der ursprünglichen Besitzer haben Ansprüche angemeldet.
12. Jänner 1998: Die restlichen 150 Bilder kehren nach Wien zurück. Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer weist Bundesmuseen und Sammlungen an, die Archive für Recherchen über die Herkunft der Bilder zu öffnen.
21. September 1999: Nach juristischem Hickhack will das US-Justizministerium eine Voruntersuchung zum "Bildnis Wally" einleiten. Die "Tote Stadt III" geht dagegen zurück nach Wien.
Oktober 2005: Das New Yorker Gericht trägt den Prozessparteien Einigungsgespräche auf, die im Frühjahr 2006 scheitern.
Oktober 2009: Richterin Loretta Preska hält einen Prozess für "gerechtfertigt". Die beiden Prozessparteien hätten mit ihren Sachverhaltsdarstellungen nicht überzeugen können. Leopold rechnet allerdings mit einem Vergleich. Er glaubt: "Der Gegenseite geht es nur ums Geld."
29. Juni 2010: Rudolf Leopold stirbt in Wien.
20. Juli 2010: Wenige Tage vor dem New Yorker Gerichtstermin wird die außergerichtliche Einigung bekannt.

Printausgabe vom Donnerstag, 22. Juli 2010
Online seit: Mittwoch, 21. Juli 2010 18:18:00

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