Mumok: "Malerei: Prozess und Expansion" – Von den
1950er Jahren
Aus der Leinwand in die Kunsträume
|
Jackson Pollocks "Painting No. 7" aus dem Jahr 1950. Foto: mumok/VBK
Wien, 2010
|
Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer
Seit den 50er
Jahren dreimal totgesagt, lebt die Malerei nach dem Abschied vom
komponierten Staffeleibild dennoch unverdrossen weiter. Die Strategien
haben sich lediglich erweitert und teilweise verfeinert: im Extremfall
als Malerei am Körper oder als Objekt im Raum, als pure Geste – oder
neokonzeptuell über sich selbst reflektierend, aber auch ein Übermaß an
Theorie ironisierend.
Auf drei Ebenen setzt das Mumok nun auf die Stärken der eigenen
Sammlung – mit Leihgaben der bekannten neuen wilden Maler der 80er
Jahre, Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, Thomas Reinhold oder Hubert
Scheibl. Mit der Schau "Malerei: Prozess und Expansion" wird die
Präsentation der Daimler Sammlung "Bilder über Bilder" im Frühjahr
fortgeführt. Im Herbst folgt der dritte Teil zum Malerei-Diskurs heute
mit "Hyper Real", der Rezeption nach dem Realismus in den USA.
Zerstörung als Ansatz für viele Neuanfänge
"Prozess" (das meint hier den Malprozess als Thema) und "Expansion"
(meint die Erweiterung vom Bild zum Objekt an der Wand oder im Raum)
werden als zwei gegensätzliche Phänomene über die äußerst heterogenen
und teils sehr pointierten Einzelpositionen geschrieben, um die Vielfalt
malerischer Konzepte der vergangenen 50 Jahre sprachlich zu umfangen.
Die destruktiven Tendenzen der 60er Jahre mit Aktionismus, Nouveau
Réalisme oder der Arte povera nach der abstrakt expressiven Phase in
Amerika und dem Informel in Europa sind ein Ausgangspunkt. Der zweite
zeigt die Entwicklung, durch Selbstreflexion des Mediums Farbe oder
Bildträger zum Objekt überzugehen. In den Raum greifen unterschiedlich
Werke von Friedrich Kiesler, Jackson Pollock, Alfons Schilling oder Niki
de Saint Phalle. Mit ihren Schießbildern setzte sie den ultimativen
Zerstörungsakt – und doch ist jedes Ende Anregung für diverse
Neuanfänge.
30 Jahre nach der russischen Monochromie um Malewitsch und
Rodtschenko startete Yves Klein eine viel beachtete Fortsetzung in Blau,
und Robert Rauschenberg malte weiße Bilder vor seinem Schritt in die
Pop-Art und dem Einsatz von Alltagsobjekten als Collage zur Malerei
("Combine Painting"). Aber auch die konstruktiven Wege im Osten als
Widerstand gegen den sozialistischen Realismus werden mit Stanislav
Kolibal, Karel Malich oder Dóra Maurer neben der amerikanischen "post
painterly abstraction" gezeigt. Früher strenge Trennungen sind
aufgehoben, staatliche Grenzen fallen in dieser neuen Sichtung überhaupt
weg, das vermeintlich Triviale mischt sich mit den Fragen der erhabenen
Farbfelder monumentaler Formate. Schichtstrukturen und Texturen
radikaler Oberflächengestaltung ersetzen alles Narrative.
Kunstgeschichte, von den Malern geschrieben
Im Sinne einer "Ars combinatoria" (Werner Hofmann) sind geometrische
Ordnungen und chaotischer Fleck Ausgangspunkte der gleichen
Bestrebungen. So treffen Donald Judds serielle "specific objects" mit
Fragen der Form und deren weiterer Analyse auf die Kunst Dan Flavins.
Objekte von Daniel Spoerri spielen ebenso mit Ironie wie die Werke von
Rosemarie Trockel oder Klaus Dieter Zimmer.
Der Theoretiker Pierre Restany sah die ganze Welt zum Gemälde werden,
die Künstler wurden Theoretiker und schreiben sich bis heute die
Kunstgeschichte selbst. Pathetische Pamphlete, die Tradition verachtende
Gesten wie das Wegwerfen des Pinsels und Arbeiten auf dem Boden
brachten auch eine Neubelebung der Mystik und der Ideologie. Die Malerei
jenseits des Bildes löst sich aber doch nicht nur in kosmischen Wolken
auf, wie etwa konkret bei Rudi Stanzl oder Lois Weinberger zu sehen ist.
Ausstellung
Malerei: Prozess und Expansion
Edelbert Köb,
Rainer Fuchs (Kuratoren)
Mumok
bis 3. Oktober
Printausgabe vom Freitag, 09. Juli 2010
Online
seit: Donnerstag, 08. Juli 2010 18:03:00
Kommentar senden:
* Kommentare werden nicht automatisch
veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen.
Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der
Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer
nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird
online nicht veröffentlicht.