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Kunstberichte

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Eierlegen im Weltall

(cai) Was war zuerst da: der Käse oder das Loch? Und wenn es ein "Ei des Kolumbus" gibt, existiert dann auch eine " Henne des Kolumbus" (und kann sie auf ihrer Schnabelspitze balancieren, ohne umzukippen)? Diese weltbewegenden Fragen verblassen freilich neben den Mysterien, die einem in Björn Dahlems "Deuterium-Stadl" begegnen. Deuterium? Ist das so ein ausgestorbenes Viech? I wo: schwerer Wasserstoff. (Oje, baut in diesem Häusl am End’ ein Psychopath die allererste WasserstoffBrief bombe?)

Eine einsame Hütte, die penetrant herumsteht, ist ja prinzipiell verdächtig. Da könnte eine Knusperhexe drin sein. Oder ein fauler Wolf, der die Identität von einer bettlägrigen Oma angenommen hat und nun wartet, dass sein Essen (Mäderln mit roten Hauberln) ans Bett kommt. Da steht man also vor der urigen Architektur wie Hänsel und Gretel vorm Knusperhäusl. (Oder wie Händel und Mozart vorm Musikantenstadl.) Tritt mit bösen Vorahnungen ein. Puh, eh keine Jodelhexe, die einen ins Koma jodeln will. Dafür Monitore mit surrealem Programm. Die "Kastelruther Pinguine" tun schuhplatteln? Nein, surrealer: Hühner-Ei wird von schwarzem Loch verschluckt (ein apokalyptischer Orakeltraum?). Mann mit Aktenkoffer rennt panisch vor etwas davon (vorm Finanzamt, weil im Koffer Schwarzgeld ist?).

Durch den Hinterausgang des Psychostadls (das ist wie bei dem Schrank, durch den man nach Narnia gelangt) geht’s in einen Styroportunnel. Erinnert an ein Filmraumschiff. Oder soll man sich hier in ein Teilchen hineinversetzen, das grad ein quantenmechanisches Phänomen (den Tunneleffekt) erlebt? Dahlem ist gut darin, Banales durch wissenschaftliches Pathos (dunkle Materie, Deuterium . . .) mit "kosmischer" Bedeutung aufzuladen. Und die Ratlosigkeit bis zum Suizid der Hirnzellen zu steigern.

Galerie Engholm Engelhorn
(Schleifmühlgasse 3)
Björn Dahlem
Bis 1. März
Di. bis Fr. 11 bis 19 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr

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Der Mohn ist aufgegangen

(cai) Der wahre Naturlyriker schreibt seine Verse ja unter freiem Himmel. Auf Blütenblätter. Gut, das dürfte eine übertrieben romantische Vorstellung sein. Wenn Paloma Navares Zitate und Zeichnungen auf Blumen kritzelt (allerdings nicht auf die Originale, sondern auf üppige Fotos, wo die Blüten betörend wuchern), dann ist das ohnehin etwas anderes: die Erinnerungsarbeit einer Leserin. Auf fragile Orchideen malt die Spanierin mit asiatischen Schriftzeichen die Namen von Autorinnen aus dem Ikebana-Land Japan. Und der Klatschmohn ist vielleicht nicht mit der "Schwarzen Milch der Frühe" gegossen worden, weiß aber trotzdem Bescheid über Paul Celans wuchtige "Todesfuge" (aus dem Gedichtband "Mohn und Gedächtnis"). Überall die Pracht des Blühens und ein bissl Melancholie, weil die Schönheit flüchtig ist und auch die Sehkraft nachlässt. Sehr persönliche, sensible Arbeiten (bei einer besonders intimen ist eine Lupe als Sehbehelf dabei), die erahnen lassen, dass die Sprache zur Flora gehört. Klar, die blühende Fantasie ist eine Zierpflanze, die Stilblüte ein exotisches Unkraut.

Galerie Mauroner
(Weihburggasse 26)
Paloma Navares
Bis 23. Februar
Di. bis Fr. 11 bis 19 Uhr
Sa. 11 bis 16 Uhr

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Depressive Clowns

(cai) Auch Pamela Andersons Implantate (die zwei Seelen aus Silikon, die, ach, in ihrer Brust wohnen) haben etwas Tragikomisches an sich. Wie Milena Dragicevics Vorschläge für die Verschandelung von Gesichtern. Clowneske Schnäbel, kantige Lippen, eine "Bäh!"-Zunge, die garantiert nicht organischen Ursprungs ist. Mäßig originell. Dass alles ordentlich gemalt ist, ist bestenfalls ein Milderungsgrund. Die Skulpturenfantasien in Öl (Balanceakte von waghalsig aufgetürmten Einzelteilen) sind etwas aufregender.

Galerie Janda
(Eschenbachgasse 11)
Milena Dragicevic
Bis 1. März
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr

Mittwoch, 13. Februar 2008

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