Exakt zum 100. Geburtstag des Bildhauers
Fritz Wotruba (1907 bis 1975) eröffnet das Belvedere die Schau
"Einfachheit und Harmonie. Skulpturen und Zeichnungen aus der Zeit von
1925-1949."
Auch ein Großer hat einmal begonnen, mit
allen Seitenwegen, die durch zeitgeistige Orientierungsversuche
passieren. In mancher aquarellierter Zeichnung ist daher neben Rodin
der Expressionismus von Egon Schiele und Oskar Kokoschka zu spüren,
dazu kommt Wotrubas Lehrer Anton Hanak.
Suche nach "Wildem"
Besonders interessant ist die zeitgeistige Suche nach dem "Wilden",
die an die insulanischen Abenteuer eines Emil Nolde erinnert, aber auch
an die kantigen Figuren Ernst Ludwig Kirchners. Selbst in der Plastik
sind die deutschen Expressionisten präsent, vor allem kommt es vor der
eigenen Stilfindung zu einer Begeisterung für den Kriegsgegner Wilhelm
Lehmbruck und dessen archaisch anmutenden Mahnmale gegen den Krieg.
Immer schwingt bei Wotruba aber auch eine gewandelte Antike mit: Ein
erster Torso ähnelt dem berühmten hängenden Marsyas aus dem
Hellenismus, dazu kommen etruskische und vor allem kykladische
Anregungen.
Spiel zwischen Polen
Immer, wenn das Vorbild zum Greifen nahe erscheint, ist dann doch
eine moderne Abwehr gegenüber der Klassik spürbar. Dieses Spiel
zwischen den Polen beleuchtet Archäologe Fritz Blakolmer im Katalog.
Wotrubas Gegnerschaft zu den Klassikposen der Diktaturen und seine
Flucht in die Schweiz spielen natürlich auch eine Rolle.
Mit dem großen Torso in Stein von 1928/29 entfernt sich Wotruba von
Hanaks realem Menschenbild in eine manieristische Richtung mit
Muskeldetails, die zur Bezeichnung "Blockmalzmandln" führte. Vor der
Teilung der Figur in kubische Blöcke nach 1945 steht also die
Archaisierung bekannter Stellungen. Erstmals sieht man den Künstler
auch als begabten Fotografen, der ähnlich Constantin Brancusi seine
Skulpturen in der rätselhaften Sphäre zwischen den Stadtbahnbögen bei
seinem Atelier vor die Kamera holte.
Alfred Weidinger ist Kurator der kurzfristig angesetzten
Ausstellung: seine Entscheidung für diese unbekannte Phase in Wotrubas
Werk ist zum einen mutig, zum anderen wurden 1995 spätere Werke im
Palais Harrach präsentiert. Der Wotruba-Verein bleibt auch Partner für
die zukünftige Aufstellung im Museum des 20. Jahrhunderts und so kehrt
der prominenteste Bildhauer Österreichs nach 1945 heim.
Fritz Wotruba
Einfachheit und Harmonie
Oberes Belvedere
Kurator: Alfred Weidinger
Bis 23. Juli
Neuorientierung.
Montag, 23. April 2007