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Kunstberichte

Von Etruskern und Insulanern am Wegesrand

Ausstellung
Illustration
- Bunte Rarität: „Männlicher Kopf“ aus 1928/1929.

Bunte Rarität: „Männlicher Kopf“ aus 1928/1929.

Illustration
- Wotruba in seinem Atelier (1947/48).  Fotos: Wotruba-Verein

Wotruba in seinem Atelier (1947/48). Fotos: Wotruba-Verein

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Exakt zum 100. Geburtstag des Bildhauers Fritz Wotruba (1907 bis 1975) eröffnet das Belvedere die Schau "Einfachheit und Harmonie. Skulpturen und Zeichnungen aus der Zeit von 1925-1949."

Auch ein Großer hat einmal begonnen, mit allen Seitenwegen, die durch zeitgeistige Orientierungsversuche passieren. In mancher aquarellierter Zeichnung ist daher neben Rodin der Expressionismus von Egon Schiele und Oskar Kokoschka zu spüren, dazu kommt Wotrubas Lehrer Anton Hanak.

Suche nach "Wildem"

Besonders interessant ist die zeitgeistige Suche nach dem "Wilden", die an die insulanischen Abenteuer eines Emil Nolde erinnert, aber auch an die kantigen Figuren Ernst Ludwig Kirchners. Selbst in der Plastik sind die deutschen Expressionisten präsent, vor allem kommt es vor der eigenen Stilfindung zu einer Begeisterung für den Kriegsgegner Wilhelm Lehmbruck und dessen archaisch anmutenden Mahnmale gegen den Krieg.

Immer schwingt bei Wotruba aber auch eine gewandelte Antike mit: Ein erster Torso ähnelt dem berühmten hängenden Marsyas aus dem Hellenismus, dazu kommen etruskische und vor allem kykladische Anregungen.

Spiel zwischen Polen

Immer, wenn das Vorbild zum Greifen nahe erscheint, ist dann doch eine moderne Abwehr gegenüber der Klassik spürbar. Dieses Spiel zwischen den Polen beleuchtet Archäologe Fritz Blakolmer im Katalog. Wotrubas Gegnerschaft zu den Klassikposen der Diktaturen und seine Flucht in die Schweiz spielen natürlich auch eine Rolle.

Mit dem großen Torso in Stein von 1928/29 entfernt sich Wotruba von Hanaks realem Menschenbild in eine manieristische Richtung mit Muskeldetails, die zur Bezeichnung "Blockmalzmandln" führte. Vor der Teilung der Figur in kubische Blöcke nach 1945 steht also die Archaisierung bekannter Stellungen. Erstmals sieht man den Künstler auch als begabten Fotografen, der ähnlich Constantin Brancusi seine Skulpturen in der rätselhaften Sphäre zwischen den Stadtbahnbögen bei seinem Atelier vor die Kamera holte.

Alfred Weidinger ist Kurator der kurzfristig angesetzten Ausstellung: seine Entscheidung für diese unbekannte Phase in Wotrubas Werk ist zum einen mutig, zum anderen wurden 1995 spätere Werke im Palais Harrach präsentiert. Der Wotruba-Verein bleibt auch Partner für die zukünftige Aufstellung im Museum des 20. Jahrhunderts und so kehrt der prominenteste Bildhauer Österreichs nach 1945 heim.

Fritz Wotruba

Einfachheit und Harmonie

Oberes Belvedere

Kurator: Alfred Weidinger

Bis 23. Juli

Neuorientierung.

Montag, 23. April 2007


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