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12.12.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung
Albertina: Sturm auf die Bastei
Über reges Besucher­inter­esse kann sich die Albertina bislang freuen, die kommenden Ausstellungen werden dafür sorgen, dass der Trend auch 2004 anhält, so Direktor Klaus Albrecht Schröder.

Meine Erwartungen sind nicht erfüllt worden“, so Klaus Albrecht Schröder auf die Frage nach einer Bilanz über die ersten Monate seit der Eröffnung seines Hauses. „Weil sie nämlich übertroffen worden sind, und zwar in jeder Hinsicht.“ Mit 350.000 Albertina-Besuchern pro Jahr habe man gerechnet, seit März seien jedoch über 750.000 Menschen in das Haus nahe der Oper gekommen. Die Eröffnungsschau von Edvard Munch haben 260.000 Besucher gesehen – „und das, obwohl Munch kein Schön­wettermaler ist.“ Außerdem habe die Albrecht Dürer-Ausstellung gezeigt, dass das Publikum die Scheu vor kleinformatigen Zeichnungen abgelegt habe und nicht mehr unterscheide zwischen der repräsentativen Malerei und der Grafik, die stets ein Schattendasein führte.

Mit Letzterer wurde die Albertina einst ebenso verbunden wie mit Alten Meistern, ein Image, das Schröder bekanntlich anlässlich der Neupositionierung korrigierte. Die Klassiker der Moderne in einem kunstgeschichtlichen Zusammenhang zu präsentieren und zugleich Alte Meister in neuem Licht zu zeigen, darum geht es in der Albertina daher auch in den kommenden Monaten.

Knapp vor Weihnachten, am 20. Dezember, eröffnet der nächste voraussichtliche Publikumserfolg: „Gustav Klimt bis Paul Klee – Wotruba und die Moderne“. Gezeigt werden neben Werken aus eigenem Bestand Highlights aus der Sammlung Kamm. Letztere wurde angelegt von dem Schweizer Ehepaar Editha und Fritz Kamm, die Fritz Wotruba während seiner Zeit im Schweizer Exil kennen gelernt hatten. Der österreichische Bildhauer brachte das betuchte Paar dazu, sich vor allem für österreichische Kunst zu interessieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg erwirbt Fritz Kamm die Wiener Galerie Würthle, Wotruba wird deren Leiter und berät den Schweizer Mäzen beim Ankauf von Kunstwerken: „Die Bedeutung der Galerie Würthle als Kunstvermittlungsinstanz bis in die 60er-Jahre hinein ist gar nicht hoch genug einzuschätzen“, so Schröder. In die Sammlung Kamm aufgenommen wurden Werke der Wiener Moderne, der Bauhauskünstler, des Blauen Reiters, des deutschen Expressionismus und der französischen Moderne.

„Die Ausstellung ist mehrgesichtig“, erklärt der Direktor. „Einmal zeigt sie eine wichtige Schweizer Privatsammlung, die – und das ist ein Spezialfall – von einem Künstler, eben Fritz Wotruba, angelegt wurde. Zum anderen zeigt die Schau die Geschichte der Wiederent­­de­ckung der Moderne. Daher fehlt zum Beispiel der ganze goldene Klimt, Wotruba interessierten nur die späten Landschaften.“ Zum hauseigenen Bestand, der von der Albertina in eben jenen Jahren angekauft wurde, zählen Schiele, Klimt, Kokoschka, Böckl, Gerstl, Franz Marc, August Macke. „Als dritten Baustein der Ausstellung zeigen wir außerdem eine kleine Wotruba-Retrospektive in der Pfeilerhalle.“

Mehr als nur Hasen. Dass die Albertina mehr als „nur“ Dürer, Raffael, Rembrandt u. a. bietet, wird auch eine weitere Ausstellung beweisen, die von 27. Februar bis 8. August 2004 zu sehen ist: „Pop und Minimal Art“ zeigt ausschließlich Werke aus der eigenen Sammlung. „Man vergisst immer, dass wir nach Berlin über die zweitgrößte Pop-Art-Sammlung in Europa verfügen, was Zeichnungen und Druckgrafiken betrifft. Von den 70er-Jahren bis heute wurden die Werke erworben“, so Schröder. „Wir wollen mit der Ausstellung zeigen, dass beide Richtungen, also die Pop Art mit Warhol, Jasper Johns, Rauschenberg, Lichtenstein, und die Minimal Art mit Donald Judd, Richard Serra, Agnes Martin usf. trotz vermeintlicher Gegensätze unterschwellig miteinander kommunizieren. Ein gutes Beispiel für ,Pop or Minimal Art’ ist Chuck Close: Einerseits machte er fotorealis­tische Vergrößerungen, andererseits löste er die Figuren auf, arbeitete mit einem Gitter, mit dem Raster, mit dem etwa auch Donald Judd arbeitete. Es gibt sehr viele Überschneidungen, die wir vielleicht erst heute erkennen.“

Und das, obwohl die Minimalisten doch stets auf die Gegenstandslosigkeit ihrer Kunst verwiesen hätten, die oberflächlich diametral zur Konsum-Bilderwelt der Pop-Art-Künstler steht. Die Ausstellung als Wink an den Staat, der Albertina auch weiterhin so viel Geld zur Verfügung zu stellen, dass sie auch laufend zukaufen kann? „Dazu ist eine Ausstellung ein viel zu seriöses, wissenschaftliches Unterfangen. Aber die Albertina hat seit ihrer Gründung schon immer 90 Prozent ihres Ankaufbugdets für jeweils zeitgenössische Werke verwendet. Das war schon im 18. Jahrhundert so und das sollte auch so bleiben.“

Rembrandt ab März. Neben Klimt/Klee und Pop/Minimal Art können sich Kunstinteressierte außerdem auf Ende März freuen: Da wird nämlich die große Rembrandt-Schau eröffnet. „90 Zeichnungen, 70 seiner wichtigs­ten Radierungen und über 30 Gemälde aus aller Welt werden miteinander thematisch korrespondieren. Über die Hälfte der gezeigten Exponate stammt aus der Albertina“, kündigt Schröder an.

Schauspieler und Gaukler, die Landschaft, die Mythologie, biblische Themen, die Selbstbildnisse – die umfangreiche Schau wird thematisch geordnet sein. Und natürlich möchte man wieder zeigen, dass die oft geschmähte Grafik  ihren gleichberechtigten Platz neben den Gemälden zu Recht beansprucht. „Zeichnungen repräsentieren das Unmittelbare, Spontane, das das Genie direkt ausdrückt – nicht das Kalkulierte, die Werkstattarbeit, das Ausgeführte.“

Den hohen Kosten des laufenden Ausstellungsbetriebes versucht der Museumsdirektor im Übrigen verstärkt über Sponsoren zu decken. Wobei deren Beiträge in der Regel schon in die Vorbereitungsarbeit – etwa in die Restaurierung – investiert würden. „Das Private-Public-Partnership-Modell wird auch weiterhin an Bedeutung gewinnen. Die Frage ist, ob man es verstärken kann, durch entsprechende fiskalische Maßnahmen.“

Neues Wahrzeichen. Das jüngste Ergebnis derartigen Mäzenatentums bestimmt architektonisch als Landmark seit dem 11. Dezember das gesamte Gebäudeensemble: Über Hans Holleins Flugdach, von den beiden Bauunternehmern Erwin und Hanno Soravia gesponsert und errichtet, freut sich Klaus Albrecht Schröder besonders: „Es war mir wichtig, für unseren Neuaufbruch ein Symbol der Dynamik zu setzen. Der Soravia-Wing ist ein Symbol der Geschwindigkeit, der Schnelligkeit, der Zukunft – und nicht der Vergangenheit. Bislang war der Aufgang mit der Rolltreppe ein Torso. Kein anderer Bauabschnitt der Albertina wurde so erwartet.“

Schröder vergleicht Holleins Aluminium-Konstrukt sogar mit der schwebenden Dachkonstruktion, die Jean Nouvel für seinen Architektur- und Kulturzentrumsbau in Luzern entworfen hat. „Und genauso wie Luzern damit neben seiner historischen Holzbrücke ein neues Wahrzeichen bekommen hat, so erhalten wir ein neues Wahrzeichen mit diesem gewaltigen, dynamischen, asymmetrischen Flugdach!“


       

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