Kurzschlusshandlung | |
Kleine revolutionäre (Kunst-)zellen wollen die Ars Electronica aushebeln. |
Gerfried Stocker was not amused:
Sichtlich angefasst machte er während der Eröffnung am Samstag Abend
deutlich, dass er angesichts der Gefahren und Mühen, die manche der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Reise nach Linz auf sich genommen
hatten, kein Verständnis für Versuche habe, die Ars Electronica technisch
zu sabotieren. Es ist allerdings kein destruktiver Ehrgeiz, der einige
Gruppen motiviert: Sie definieren ihre Eingriffe als inhaltliche Kritik
eines Events, das an seiner eigenen Masse zu ersticken drohe. Sicherung raus cntrcpy[tm]
etwa wollen in Linz an die Besucher 10.000 unplugger v 1.1
verteilen. Das handliche, als mobiler Steckdosenvirus beschriebene Stück
könnte großen Effekt haben: Eingesteckt produziert es Kurzschlüsse, die
die betroffenen Stromkreise lahm legen. Davon überzeugt, dass "wenig dem
Thema der diesjährigen ars electronica mehr gerecht werden kann als eine
unplugged-ars", sehen cntrcpy[tm] ihre Aktion als Maßnahme gegen die
Absurdität des Technikwahns, der jedes Jahr verstärkt und im Interesse der
finanzkräftigen Geldgeber in Linz zelebriert werde. Selbst wenn man mit
der Militanz des Projektes Schwierigkeiten hat - etwas paradox ist es
schon, wenn einige der Sponsoren der Ausstellung als multinationale
Konzerne Protagonisten jener Globalisierung sind, die während des
Symposions mit guten Gründen kritisiert wird. Verunsicherung rein Auch odem.org halten
"unplugged" als diesjähriges Motto der Ausstellung für problematisch: Die
Suggestion von Freiheit sei verlogen, weil so die Illusion aufrecht
erhalten werde, dass das Internet ein weitgehend unkontrollierter oder gar
unkontrollierbarer Raum sei, stattdessen werden Freiheiten dort mit und
ohne rechtliche Grundlagen massiv eingeschränkt. Ihr klandestiner Eingriff
betraf die öffentlich aufgestellten Rechner: Indem sie
Browser-Einstellungen veränderten, wurden die beim Surfen abgerufenen
Datenströme umgeleitet und bisher etwa 35.000 aufgerufene Seiten durch
Worttauscher und andere Filter manipuliert. Das zugrunde liegende und 2001 mit dem internationalen Medienkunstpreis
des ZKM ausgezeichnete
Projekt insert_coin
zur Erforschung der Kompetenz und Kritikfähigkeit von Anwendern war zuerst
an der Stuttgarter Merz Akademie mit bedrückendem Erfolg erprobt worden.
Dass sie - mit ihrem Omnicleaner beim Kingdom of Piracy im Brucknerhaus vertreten - quasi die
Hand beißen, die sie füttert, stört sie schon nicht. Die von der Ars
Electronica vorangetriebene selektive Institutionalisierung der Netzkunst,
so ihre Kritik, sorge dafür, dass kritische Ansätze mehr und mehr
ausbluten. Link: Ars Electronica | ||
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