Hauptausgabe vom 16.05.2002 - Seite 006
KUNST: Alois Riedl in der oö. Landesgalerie

Der Meister des Einfachen

VON IRENE JUDMAYER

"Ich hab' als Kind schon immer alles vollgedagelt", sagt der oö. Künstler Alois Riedl. Die Lehrer haben ihn "ausgeschimpft" deswegen. Wenn Lehrer damals realisieren hätten können, dass sich hier ein immenses Talent artikuliert, hätten sie wohl schamhaft geschwiegen. Riedl (*1935) ist längst eine prägende Kraft der heimischen Kunstlandschaft.

Im Gotischen Zimmer der oö. Landesgalerie zeigt der Künstler 40 Zeichnungen der Jahre 2000-2002. Titel: "Der rote Faden". Riedl: "Ich bin gelernter Herren- und Damenschneider und steh' dazu!" Die Achse von den auf Linien und monochrome Flächen reduzierten, schlichten Zeichnungen zu Schnittmusterbögen ist ja schnell gefunden. Doch Riedls zeichnerisches Werk darauf zu reduzieren, wäre falsch: Denn diese kargen Bilder lehren uns das Sehen neu. Lehren uns, das Erschaute genau zu überprüfen. Zwei kreuzende Gerade - die Beuge verwinkelter Arme. Halbkreise mit zwei zusätzlichen Linien - eine sitzende Frau.

Riedl ist ein Meister des Einfachen. Er zoomt auf Details von Körpern, setzt sie in Umrissen mit Ölkreide auf handgeschöpftes Papier. Irritierende Arbeiten, in denen sich Sinnlichkeit mit Klarheit vereint, Schönheit mit kuriosen Raumspielen. Es ist eine seltene Begabung, mit dermaßen wenig Mitteln Plastizität zu schaffen und uns wie bei Vexierbildern durch die Dimensionen kippen zu lassen!

Landesgalerie: bis 23. Juni, 0732/ 77 44 82, Katalogbuch 10,50 Euro.


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