Mat, ganz allein im Wald
Unter dem Titel „The Two Circles“ zeigt Mat Hennek in Salzburg Aufnahmen aus den zwei Serien: „Woodlands“ und „Alpenpässe“ (Leica Galerie Mirabellplatz 8, bis 6. August; Schloss Arenberg bis 24. August). Wir fragten Hennek nach dem Wie und dem Warum.
Ihr spezieller Bezug zum Wald hat welchen Grund? Hennek: Ich bin im Wald aufgewachsen. Mein Elternhaus steht im Wald. Seit meiner frühesten Kindheit liebe ich den Wald. Ich habe zehn Jahre als kommerzieller Fotograf im Bereich Rock ’n’ Roll und Pop gearbeitet. Jetzt bin ich mit werdendem Alter und 42 Jahren weise (lächelt) und ziehe mich mehr und mehr zurück. So komm ich in den Wald. Das sind für mich meditative, sakrale Räume, in denen ich mich sehr frei fühle, weil ich wirklich für mich allein bin. Der Wald, ein sakraler Raum? Hennek: Ja. Durch das Aufsteigen der Bäume in den Himmel ist das für mich ein ganz ruhiger, sakraler Raum. Wann entstehen Ihre Fotos? Hennek: Man kann das nicht planen. Also, ich gehe los, das sind dann lange Wanderungen, teilweise über Tage. Ich kann auch nicht sagen, wo ich fotografiere, das passiert, das sind fast esoterische Momente.Womit fotografieren Sie? Hennek: Das sind eine Hasselblad 6 x 6 und eine Leica M9. Die Leica nehme ich, um zu skizzieren. Ich fotografiere an Orten, die ich finde. An manchen halte ich mich dann länger auf. Ich lasse mir sehr viel Zeit, um auch zu überlegen, wo ich was fotografiere. Nebel, Regen, Sonnenschein, bedeckter Himmel. Man sieht in den Waldbildern eigentlich alle Stimmungen. Wie sind die Reaktionen? Hennek: Also, von den schönen Motiven ist jeder berührt. Das freut mich als Bildermacher generell. Teilweise habe ich auch Bilder gemacht, die bedrohlich sind. Die abweisend wirken, weil die Verästelung so extrem vernetzt ist. Hänsel und Gretel wurden ja auch in einem bedrohlichen Wald verschleppt. Hennek: Richtig. Das ist auch eines der Themen, die ich mit meinen Kindern fotografiert habe. Die habe ich als Hänsel und Gretel inszeniert. Das ist schon zehn Jahre her. Da war der Wald für mich als Thema noch nicht präsent. Aber die Mythologie und die Märchen, die im Wald spielen, haben mich immer schon interessiert. Sie haben früher ausschließlich im Rock-’n’-Roll-Geschäft fotografiert? Hennek: Ja.Also in einer ziemlich verrückten Welt, beseelt von einer Art Waldgeistern, die oft ziemlich eigenartig sind. Hennek: Das ist wirklich eine völlig verrückte Welt. Völlig durchgeknallt. Wer waren da Ihre Fotoobjekte? Hennek: Ganz unterschiedlich. Ich hab für alle Labels weltweit gearbeitet. Ich habe mit kleinen Independent-Bands angefangen. Ich bin dann aufgestiegen bis zu Größen wie Sting, Tracy Chapman, Rammstein oder Nick Cave. Die haben sie auf Tour begleitet? Hennek: Meist hab ich die Cover fotografiert. Teilweise habe ich Kampagnen mit den Künstlern zusammen entwickelt, für industrielle Partner außerhalb dieser Labelwelt. Teilweise waren es Poster. Also ganz unterschiedlich. Und das war so ertragreich, dass sie sich als junger Vierzigjähriger ausschließlich der Kunstfotografie widmen können? Hennek: Ja, zum einen kann man das so sagen. Ertragreich war mehr die Werbefotografie. Die war wirklich lukrativ. Ich habe ja dann vor einigen Jahren vom Rock ’n’ Roll zur Klassik gewechselt. Ich habe in den letzten fünf Jahren im klassischen Musikbereich sehr ausschweifend gearbeitet, und seit den letzten drei Jahren konzentriere ich mich ausschließlich auf Kunst. Ich hab mich aus dem kommerziellen Bereich völlig zurückgezogen. Zum einen, weil die Zeit vorüber war, ich kann das nicht mehr, hab genug gesehen und gelernt in dem Bereich. Im Rock ’n’ Roll erinnern vor allem die Stagemanager und das Rundherum ein wenig an Trolle im Wald, weil Sie oft so aggressiv und irgendwie beißwütig sind. Hennek: Es gibt da diese Jungs vor der Bühne, die haben natürlich die Aufgabe, für Ordnung zu sorgen. Aber sobald man die Barriere durchschritten hat und hinter der Bühne ist oder die Künstler privat trifft, was bei mir oft der Fall war, da ist das dann schön und entspannend. Letztlich sind es Typen wie du und ich. Da ist tatsächlich so, es ist erstaunlich, aber auch erschreckend, wie menschlich die sind, wenn sie nicht auf der Bühne stehen. Rammstein ist das extremste Beispiel. Die hab ich mit ihren Kindern gesehen, die waren so liebenswert im Umgang mit ihnen. Das kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man zuvor ihre Bühnenshow erlebt hat. Das sind wirklich sehr angenehme und kultivierte Burschen. Das ist aber auch im Wald oft so . . . Bitte? Hennek: Na, du gehst rein und fürchtest dich vielleicht. Ich mache gerade Experimente, bin nachts allein im Wald. Das ist eine neue Erfahrung. Ich war noch nie allein nachts in Wäldern. Der Anfang ist immer bedrohlich. Selbst wenn man den Wald kennt. Man verliert die Orientierung. Man verliert den bekannten Rahmen. Man achtet auf Geräusche, man ist sensibilisiert. Aber letztendlich, wenn man auch da die Barriere überschreitet, wenn man diese Urängste ablegt, kommt man zu ganz magischen, wunderschönen und ruhigen Momenten. Das ist erstaunlich. Und auch empfehlenswert. Sie erleben am eigenen Leib, wie weit sich die Menschen von der Natur entfernt haben? Hennek: Es ist erschreckend. Deshalb konzentriere ich mich bei meinem Projekt auch bewusst auf heimische und nicht auf exotische Wälder. Ich komme viel herum und habe viele exotische Wälder gesehen. Ich verspüre aber nicht den Reiz, die zu fotografieren. Was wir hier sehen in der Ausstellung, sind heimische Wälder. Gibt es unterschiedliche Zugänge von Städtern bzw. Menschen vom Land bei der Betrachtung Ihrer Bilder? Hennek: Definitiv. Ich wohne in der Schweiz selbst auf dem Land, die Leute dort sind fasziniert, weil sie das kennen, aber noch nie so fotografiert gesehen haben. Die Städter wiederum sind fasziniert, weil sie nicht glauben können, dass so etwas gar nicht weit weg von ihrer Wohnung oder ihrem Haus existiert. Ich habe ein klares Konzept, werde auch noch Wüste und Wasser und Steine fotografieren. Es gibt einen formalen Rahmen, ich lasse den Himmel weg, ich lasse den Boden weg, ich konzentriere mich auf die senkrechte Struktur der Bäume. Und man hat keinen Horizont, man hat also kein Ende in diesem Bild. Kunst als Botschaft? Hennek: Ich setze die Bilder auch zusammen mit dem WWF ein. Wir machen Projekte, bei denen man auch Veränderungen sieht, Erosionen etwa und zum Teil auch kranke Wälder. Die Bilder sind Hinweise auf Schönheit, aber auch auf Zerstörung. Aber Salzburg ist ohnehin privilegiert. Ich hatte hier vor zwei Jahren im Rahmen der Festspiele eine Ausstellung im Schloss Fuschl. Das war mein erster Kontakt mit Salzburg. Es ist schon schön in Salzburg. Ich hoffe, die Leute hier vergessen das nicht. Oft siehst du die herrlichsten Landschaften und Schönheiten der Natur ja nicht, wenn du hier lebst, oft ist es dir ja gar nicht klar. Wenn du so von Rio de Janeiro nach Hause kommst und dort eine regelrechte Müllhalde erlebt hast, und dann kommst du hierher nach Salzburg: Wow! Das ist eine der letzten wirklich lebenswerten Ressourcen die wir haben.
Einfach fantastisch.