Wird am Montag Gesprächstermin wahrnehmen: Peter Weibel
Graz - Der Vertrag des langjährigen Chefkurators der Neuen Galerie in Graz, Peter Weibel, wurde am Mittwochnachmittag von Peter Pakesch, dem Intendanten des Universalmuseums Joanneum, mit sofortiger Wirkung gekündigt. Der Vertrag von Weibel, der im März 67 wurde, wäre 2012 ausgelaufen.
Am Mittwochvormittag wehrte sich Peter Pakesch noch gegen die schweren Vorwürfe Weibels, die dieser unter anderem im STANDARD erhoben hatte. Unter anderem hatte Weibel den "autoritären" Führungsstil kritisiert. Pakeschs Reaktion: "Ich bin traurig und bestürzt darüber, auf welcher unsachlichen Ebene hier reagiert wurde".
Die Landesregierung hatte im Herbst 2010 von jedem Ressort 25-prozentige Einsparungen gefordert. Für das Joanneum bedeutet das 4,3 Millionen Euro Budget weniger für die Jahre 2011 und 2012. Weibel warf Pakesch am Dienstag vor, diesen Sparkurs zu nutzen, um unbequeme Geister loszuwerden: Christa Steinle wurde nach 20 Jahren die Leitung der Neuen Galerie entzogen. Weibel hatte - der STANDARD berichtete - aus Protest angekündigt, im Herbst drei Ausstellungseröffnungen im neuen Joanneumsviertel, an denen auch Steinle gearbeitet hätte, aus Solidarität zu boykottieren.
Pakesch spielte noch am Mittwochvormittag den von Weibel beschriebenen Krieg zwischen ihm und der Neuen Galerie herunter: "Er (Weibel, Anm.) hat den Krieg gerne. Als ich Kunsthaus-Intendant wurde, habe ich es als positiv gesehen, dass Peter Weibel in Graz tätig ist. Es hat damals gute Gespräche gegeben. Da ist auch Interessantes entstanden. Es ist ja nicht so, dass das ein durchgehender Krieg war."
Polyartist Peter Weibel hatte auch Pakeschs Vertragsverlängerung als Intendant kritisiert, die von der Landesregierung 2010 vorgenommen wurde, ohne die Stelle neu auszuschreiben. Das ist aber im Stellenbesetzungsgesetz vorgeschrieben. Pakesch dazu: "Ich glaube, das Land hat sich für Kontinuität entschieden und wollte gerade im Jubiläumsjahr und in budgetär angespannten Zeiten keinen Wechsel. Hätte ich denn das Angebot des Landes ausschlagen sollen, weil ich rechtliche Bedenken habe?"
"Bin kein Machtmensch"
Auf Weibels Vorwurf, Pakesch sei ein "Autokrat, frisch aus Kasachstan importiert", kontert Pakesch: "Ich bin kein Machtmensch. Und Mitarbeiter, bei denen Macht eine Kategorie ist, haben in unserem Team keinen Platz."
Am Mittwochnachmittag meldet sich Pakesch noch einmal beim STANDARD: "Unsere Juristen waren gerade bei mir und haben mir geraten, den Vertrag mit Professor Weibel aufzulösen. Er bekommt ein hohes Beraterhonorar und wir haben ihn schon mehrmals darauf hingewiesen, solche Äußerungen zu unterlassen." Nachsatz: "Vor 45 Minuten habe ich den Vertrag nun aufgelöst."
Peter Weibel reagiert aus seinem Büro im Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe postwendend auf seine Kündigung: "Da hat er sich in der Adresse geirrt". Denn in der Begründung der Vertragsauflösung hat Pakesch geschrieben, Weibel habe durch die öffentlichen Anwürfe dem "Ansehen und Interesse des Universalmuseums Joanneum Schaden zugefügt".
Doch nicht er, Weibel, würde die glanzvollen Ausstellungen im Herbst verhindern, "sondern Pakesch durch seinen Hinauswurf von Steinle". Und diese Ausstellungen - das Bruseum, die Personale zu Hans Hollein und die Sammelausstellung Moderne: Selbstmord der Kunst? wären in ganz Europa erfolgreich gewesen. Weibel: "Also denke ich mir, dem Joanneum geschadet: Das hat Pakesch getan."
Und dann holt der geschasste Chefkurator zu einem weiteren schweren Vorwurf aus: Die gesamten Einsparungen seien eigentlich ein "großer Etikettenschwindel". Denn, so Weibel konkret: "Hier geht es nicht um Einsparungen, sondern um eine Entschuldung, denn das Joanneum hat zehn Millionen Schulden". Weibel habe diese Zahlen "von jemandem aus dem Kuratorium". Und er glaubt, die hohe Verschuldung sei vor allem durch das 2003 eröffnete und seither von Pakesch geleitete Kunsthaus "explodiert".
Weibels neue Vorwürfe
Die Bilanzen des Joanneum sprechen aber seit Jahren eine völlig andere Sprache. Peter Pakesch meint dazu entrüstet: "Das Joanneum ist schuldenfrei. Diese Vorwürfe sind völlig an den Haaren herbei gezogen." Man sei "vielleicht mit zehn Euro, aber sicher nicht mit zehn Millionen Euro" verschuldet.
Weibel beharrt aber im Gespräch mit dem STANDARD auf seiner Behauptung und sagt sogar, es habe seitens des Aufsichtsrates schon lange bevor Finanzlandesrätin Bettina Vollath (SPÖ) die Einsparungen einforderte, thematisiert worden, "dass einige Häuser teilweise schließen werden müssen". Tatsächlich sollen ja, wie am Dienstag bekanntgegeben wurde, Schloss Trautenfels, Schloss Eggenberg und das Jagdmuseum Schloss Stainz drei Monate im Winter geschlossen bleiben. Das Volkskundemuseum in Graz wird nur mehr an zwei Tagen zugänglich sein. Keines der Museen wird künftig, mangels Budget, selbst Sonderausstellungen ausrichten können.
Pakesch hofft dennoch weiter auf ein "klärendes Gespräch am Montag", denn immerhin sei Weibel der "Ideengeber" der geplanten Ausstellungen.
Weibel bestätigte indes, dass er "selbstverständlich" rechtliche Schritte gegen die Vertragsauflösung unternehmen werde. (Colette M. Schmidt/ DER STANDARD, Printausgabe, 31.3.2011)
Zur Nachlese:
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Die
Frage, ob das Burgenland neben den Festivals auch eine "freie Szene"
hat oder doch eher nicht, beschäftigt klarerweise auch die
Kulturpolitik - von jeher
Kultur
ist Sache der Länder, die Republik fördert Kunst dennoch. Zudem
finanziert sie die Bundesmuseen wie die Bundestheater. Und diese liegen
in Wien. Die Hauptstadt ist daher bevorzugt. Es drohen aber
Imageverluste.
Der
seit einem Jahrzehnt amtierende Wiener Kulturstadtrat verteidigt die
Subvention von Musicals - und den Umstand, als Bundeshauptstadt
kulturelle Hochburg zu sein
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bazon brock spricht davon, dass pakesch „lediglich durch Clan- und Günstlingswirtschaft“ in seine position gehievt worden wäre.
diese kritik ist mir unverständlich. ist diese vorgangsweise bei
personalentscheidungen, doch allgemein verbreitet und bekannt im
universalmuseum-joanneum und wurde jahrelang, auch von den jetzt
betroffenen mitgetragen und selbst praktiziert.
Welche Fragen sollen geklärt sein??
Wie von mir ganz zu Anfang gepostet: Selbstverständlich wird es
Protest der Weibel-Nahen geben - Kuplwieser, Schuster, der ebenfalls
längst langweilig gewordene Bazon Brock, alles Menschen aus dem engen
Umfeld des Herrn Weibel, die völlig verständlicherweise Protest
einlegen.
Die Liste an KünstlerInnen, die diese Kündigung begrüßen, ist aber
sicher deutlich länger, nur das gibt keinen tollen Medienbericht her,
außerdem besteht kein Grund für diese Kulturarbeiter, sich öffentlich
zu dem Thema zu äußern...
Dr. Ploil zieht seine Sammlung zurück, ebenso das Belvedere seine Dauerleihgaben, rund 150 Exponate somit... Damit ist dem Joanneum ein immenser Schaden zugefügt worden, der absehbar war, aber geradezu provoziert wurde...
Und
dann kommen mit neuen Leuten halt wieder neue Leihgeber, auch das ist
ganz normal im Kunstbetrieb, Veränderung deswegen zu blockieren wäre
lächerlich.
Das Belvedere weiß eh nicht, wohin mit dem ganzen Zeug... und die
nicht allzu ruhmreiche Sammlung der Neuen Galerie blockiert nur
Ausstellungsfläche...
Ich sehe hier also keinen "immensen Schaden", sondern nur ganz
normales österreichisches Hackel-ins-Kreuz-Werfen auf billigem
Privatinteressenniveau.
.... ein denkanstoss: welche qualifikationen muss eigentlich der/die leiter(in) einer abteilung im universalmuseum mitbringen?....schade ist es um die neue galerie, die hervorragende ausstellungen hervorgebracht hat. vor allem liegt das an dem hervorragenden und idealistischem team um steinle und weibel, welches (unterbezahlt) meist hinter den kulissen arbeitete und nicht nur bei vernissagen die lorbeeren erntete. auch die oft menschlich diskriminierende behandlung durch die "chefitäten" der neuen galerie, haben an der loyalität dieser mitarbeiter nichts ändern können. das ist einerseits lobenswert,kann aber auch von mangelnder courage zeugen. Nur, wer spricht kann gehen. Ob, das im kunsthaus unter pakesch anders ist? ein denkanstoss....
... dass es keine fristlose kündigung gibt. eine kündigung ist de jure mit einer frist ausgestattet. fristlose beendigung des dienstverhältnisses heisst "entlassung" (und deswegen auch nicht "fristlose entlassung")
...dessen chef es sich gefallen lässt, von einem mitarbeiter in der öffentlichkeit diffamiert zu werden.
...in dem mitarbeiter ungeschoren davon kommen, wenn sie wohlwissend unwahrheiten verbreiten.
...mitarbeiter, nachdem sie öffentliche arbeitsverweigerung
ankündigen, nicht mit sanktionen zu rechnen haben. (der weibel hatte
wahrscheinlich ohnehin am wenigsten arbeit in der neuen galerie und
wurde dafür all die jahre fürstlich entlohnt.)
da werden in Ö schon ganz andere summen verbraten. die strabag z.b. freut sich jedes jahr einen haxn aus. weibel hat recht mit seiner kritik und wird geschast. also, wenn das nicht kasachstanisch autokratisch ist, was dann?
...und noch etwas muss man schon auch sagen: Der Dienstgeber von Steinle und Weibel ist nicht die Neue Galerie, sondern das Land Steiermark bzw. das Universalmuseum Joanneum, d.h. die Neue Galerie - auch wenn man das dort nie so recht wahrhaben wollte - ist eingebunden in eine sehr traditionsreiche und verdienstvolle Institution. Leider ist es eben so, dass das Joanneum sparen muss, das hat sich Herr Pakesch auch nicht ausgesucht. Seinem Arbeitgeber - der im übrigen Steinle nicht gekündigt, sondern ihr eine andere Stelle angeboten hat, die sie abgelehnte - in dieser extrem schwierigen Situation ins Gesicht zu schlagen, indem man eine öffentliche Schlammschlacht der Sonderklasse inszeniert, lässt schon tief blicken. Aber es gibt eben Mensche
a) Die Neue Galerie hat in den 60er bis 90er Jahren das Joanneum international bekannt gemacht, nicht umgekehrt.
b) Ein bereits jetzt IMO missglückender Umbau, bei dem man diese
Institution aus ihren Räumen entfernt und in einem Nebenkammerl des
Joanneumgebäudes unterbringt, wird nicht nur der NG schaden, sondern
dem Joanneum allgemein.
c) Nur aus "Loyalität" das Maul zu halten,während ein Egomane zwei
AFAIK wertvolle und hoch kompetente Mitarbeiter hinausekelt, wäre IMO
weitaus schlimmer, als die (stets subjektive) Wahrheit zu sagen.-
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