Eine neue Ausstellung im Belvedere widmet sich
Egon Schiele als Porträtkünstler
Schiele, nüchtern betrachtet
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Zwischen Neuerung und Konvention: Obzwar als Genie gefeiert, tritt auch
bei Schiele Konservatives zu Tage – womöglich als Zugeständnis an
porträtierte Personen wie hier Eduard Kosmack. Foto: Belvedere Wien
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Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00092297-Dateien/wzfeld.gif)
Franz Martin
Haberditzl legte als Direktor des Belvedere, vormals Staatsgalerie, 1918
den Grundstein zur Sammlung von 16 Hauptwerken aus allen Werkphasen
Egon Schieles. Obwohl die Porträts ein Drittel des Œuvres ausmachen,
widmete sich bis heute kein Museum diesem Thema. Durch Jane Kallir, New
Yorker Enkelin eines Schiele-Sammlers und Verfasserin des Werkkatalogs,
ist diese Schau auf der sicheren Seite.
Die Anstrengungen, auch Unbekanntes aus aller Welt mit dem Bestand zu
vereinen, haben sich gelohnt. Rund 100 Werke werden in fünf Abschnitten
chronologisch auf ovalen Wandeinbauten in der Orangerie präsentiert.
Die Anfänge zeigen den 16-jährigen Schiele an der Akademie als
bemühten Zeichner antiker Gipse; das erste Selbstbildnis sowie Porträts
der Familie gehen dann auch farblich in Richtung
Stimmungs-Impressionismus. Erst nach der Orientierung an Gustav Klimt
und mit dem zornigen Durchbruch zum Expressionismus kommt es zu einem
Entwicklungsschub. Seit dem Austritt der "Neukunstgruppe" aus der
Akademie ist Schiele derjenige, den wir heute kennen. Er legt ab 1910,
mit einer unharmonischen Farbplatte vor leeren Hintergründen, eine
exaltierte Selbstsuche an den Tag: ein narzisstisches Auftreten in
Theaterposen, die er auch auf andere überträgt.
Erkennbare Einflüsse
Die Schau verschleiert nicht die Ablehnung deutscher Künstler wie
Franz Marc gegenüber der österreichischen Eigenwilligkeit im neuen
expressiven Stil. Doch bei aller Opposition: Schieles Eleganz des
Strichs, seine Betonung des Negativraums hinter den Figuren und die
psychologische Bespiegelungen täuschen nicht hinweg über eine
grundlegende Unbestimmtheit zwischen revolutionärer Neuerung und
Konvention.
Seine konservative Seite war aber sicher auch ein Zugeständnis an die
Mäzene Carl Reininghaus, Arthur Roessler, Heinrich Benesch oder Eduard
Kosmack. Auch indem die Schau solche Einflüsse nicht verhehlt, bleibt
sie angenehm nüchtern, folgt der Chronologie und konzentriert sich auf
erläuternde Skizzen zu den Ölporträts, die so kombiniert noch nicht zu
sehen waren. Briefe an die Mäzene und deren Antworten dokumentieren die
für Wien typische enge Bindung an die Auftraggeber und Sammler seitens
der Museen und Galerien.
Hier wird Egon Schiele nicht mehr kritiklos in den Rollen des
Propheten, Priesterkünstlers und Märtyrers, die er selbst wechselnd und
zeitgemäß verkörpert hat, in unsere Gegenwart geholt. Diese Abkehr von
einem affirmativen Geniebegriff schadet seiner Kunst keineswegs, sie
bringt im Gegenteil neue, subtilere Themenstellungen ans Licht. So
offenbaren sich in vielen Posen etwa Schieles schwieriges
Erwachsenwerden und sein schwankendes Frauenbild während dieser Zeit. Ob
seine Rolle als Soldat und werdender Familienvater ihn tatsächlich zum
Feministen machte, wie Kallir meint, scheint für die Jahre 1915 bis 1918
allerdings doch eher schwer beweisbar.
Jedenfalls macht sich ab 1912 ein Schwenk zu einer einfühlsameren
Fremdbeobachtung bemerkbar – nicht nur in einem wenig bekannten Bildnis
Wally Neuzils (aus der Sammlung Christa Hauer, Schloss Lengenfeld),
sondern auch in Porträts von Vater und Sohn Benesch sowie Erich Lederer.
Vor allem im Bildnis seines Freundes Albert Paris Gütersloh überzeugt
dieser veränderte, gemäßigte Spätstil. Durch Schieles frühen Tod, 1918
aufgrund der Spanischen Grippe, bleibt die Frage, welchen künstlerischen
Weg er genommen hätte, spannungsreich offen.
Ausstellung
Egon Schiele. Selbstporträts und Porträts
Agnes
Husslein-Arco, Jane Kallir (Kuratorinnen)
Orangerie
des Belvedere
bis 13. Juni
Printausgabe vom Donnerstag, 17.
Februar 2011
Online seit: Mittwoch, 16. Februar 2011 18:05:00