Die Menschen hasten hinein, schieben sich dicht aneinander durch die Gänge, drängeln und schubsen ohne Rücksicht auf Verluste. Mit lautem Krach fällt plötzlich etwas um. Eigentlich steht Marc Quinns lebensgroßer „Buck with Cigar“ sicher auf seinen Füßen – aber diesem Ansturm auf die 41.Art Basel ist selbst eine Bronzeskulptur nicht gewachsen.
Der Andrang ist enorm. Und es herrscht wieder Kaufrausch. Nicht diese Gier, die Anfang des Jahrtausends die Preise unvernünftig hoch trieb. Aber ob aus Europa, den USA, sogar aus China und Indien – die Sammler scheinen heuer ihr Geld möglichst vollständig anlegen zu wollen. Gekauft wird sehr viel und sehr schnell – zum Leidwesen der Museen. Die Wege der staatlichen Institutionen sind durch Ankaufskommissionen und Budgetknappheit zu langsam, um auf diesem erhitzten Markt mithalten zu können – ganz abgesehen von den Preisen, die hier herrschen. Denn die steigen trotz oder gerade wegen der Krise weiter und weiter.
Antonia Hoerschelmann von der Albertina etwa konnte nur staunen, wie teuer Papierarbeiten von Richard Serra geworden sind. Gestiegen ist aber auch ganz deutlich die Qualität der ausgestellten Werke. Kaum mehr Kitschig-Buntes, sondern auffallend viel Minimal Art und Konzeptkunst dominieren, und dies überraschenderweise vor allem im unteren Geschoß.
Eigentlich ist die Eingangsetage ja bekannt für den Schwerpunkt
Klassische Moderne, hier führte immer Picasso die Liste der
Meistgezeigten an. Heuer ist er erstmals entthront – von Andy Warhol.
Nur mehr wenig Kleinformatiges, Expressives und Goldgerahmtes ist zu
sehen, dafür raum- und wandfüllende Werke von Christian Boltanski,
Hanne Darboven, Mario Merz, Donald Judd. Ob die Räume der Sammler im
Laufe der Jahrzehnte immer größer geworden sind? Oder liebäugeln immer
mehr mit eigenen Museen? Die 1960er, das wird hier jedenfalls deutlich,
beginnen sich als stabile Wertanlage durchzusetzen.
„Guter Geschmack ist Faschismus.“
Offenbar macht diese Entwicklung die Messeleitung nervös, die einige
Händler aufforderten, doch unbedingt weiterhin auch die – enorm
hochpreisige – Klassische Moderne anzubieten, um diese Sammlerschicht
nicht zu verlieren. Denn das Interesse an Im- bis Expressionisten ist
nach wie vor groß. Davon scheint auch die Galerie Neugerriemschneider
profitieren zu wollen, wenn sie die van-Gogh-artigen Bilder von Billy
Childish als Massenangebot auf den Markt werfen.
„Good taste is fascism“, schreibt dieser Maler, Poet und Musiker in seinem Manifest von 1997, in dem er sich gegen Konzeptkunst ausspricht und fordert, dass jeder Künstler eine „Reihe von unakzeptabel schlechten Bildern“ malen muss. So steht's auf seiner Homepage, aber das klingt derartig ausgedacht, dass sich die Vermutung eines Fakes aufdrängt. Die Berliner Galerie jedenfalls wirft Bildermengen auf den Markt. Selbst Francesca Habsburg, bekannt für ihre qualitativ hochwertige Sammlung, hat sich da eingereiht. Sie wolle damit ihre Wohnung dekorieren– als schiefer Ton im Chor, als bewusster Ausrutscher in einer hochkarätigen Sammlung?
Gleichzeitig interessiert Habsburg sich aber auch für die sieben Meter hohe Installation von Massimo Bartolini, der eine elektrische Orgel mit einem Baugerüst kombiniert und John Cage abspielt– ein überzeugendes Bild für eine neue Kirche, die im Alltag verankert ist. Bartolinis Werk ist Teil von „Unlimited“, der Halle für überdimensionale Skulpturen, die dieses Jahr leider von viel zu vielen Videos dominiert wird.
Der Haupttrend heuer ist das Sichere und Bewährte. Reges Interesse
erhielt die großartige Wandtapete von Cindy Sherman; sofort verkauft,
das bedauerte AXA-Manager Stefan Horsthemke, war das abstrakte Bild von
Tomma Abts, auch Pawel Althamer, den sich das Kunstmuseum Liechtenstein
gerne in die Sammlung geholt hätte. Seine Sammlung ergänzen dagegen
kann das Ehepaar Essl mit unerwartet konzentrierten Arbeiten von Tim
Eitel – Malerei, das ist nicht zu übersehen, führt das Feld an.
Immer mehr Skulptur.
Immer weniger Video und Fotografie ist dagegen zu finden, dafür immer
mehr Skulpturen, die allerdings leicht Richtung purer Dekoration
tendieren, wie die großen Pilze von Carsten Höller oder Liam Gillicks
bunte Glasscheiben-Flächen. Herb enttäuscht hat vor allem Paul McCarthy
mit seinen vier Riesenzwergen in vier Farben, für je 750.000 Euro – ob
sich da nicht jemand mit der Menge der Nullen vertan hat?
Aber solche Werke, die deutlich eher das Interesse an Größe und Name bedienen als eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Welt bieten, sind dieses Jahr erfreulicherweise die Ausnahme in Basel. Am zweiten Tag kehrte Quinns gestürzte Skulptur übrigens wieder zurück, noch nicht verkauft, aber auch nicht mehr gefährdet. Die erste Käuferwelle war vorüber, die zweite rollt dieses Wochenende an.