Die Sammlung Essl stellt in Klosterneuburg Arnulf Rainer und Antoni Tàpies aus und zeigt Skulpturen
Von Übermalern und Kratzern
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Verschleiertes Gesicht, gelöschter Inhalt: Arnulf Rainer "Gesicht", 1973: Stefan Fiedler
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Eigentlich verbindet Arnulf Rainer kaum
etwas mit Antoni Tàpies. Während Ersterer mit seiner Malerei
"verschleiert" und wie durch einen Vorhang vor dem Gemälde die Inhalte
löscht, kratzt Letzerer die Aussagen aus seinen Bildern regelrecht
heraus. Der Spanier Tàpies ist mit seinen pastosen Sandgemälden voller
archaischer Zeichen bekannt geworden und gelangte mit abstrakten
Kompositionen zu höchst eigenwilligen Aussagen. Warum also stellt die
Sammlung Essl in Klosterneuburg die beiden, auf den ersten Blick so
unterschiedlichen Maler überhaupt zusammen aus?
Kreuz und Mystik
Kurator Jean Frémon, Kunstexperte und Schriftsteller, sucht in der
Gegenüberstellung nach den metaphysischen Zusammenhängen der beiden
Maler. Tatsächlich wird er hier in der Schau "Porteurs de Secret"
fündig: Rainer und Tàpies haben sich, jeder auf seine Weise, intensiv
mit der abstrakten "negativen Theologie" (oder gegenstandslosen Mystik)
auseinander gesetzt. 90 Werke aus dem Bestand der Sammlung Essl zeigen
diese Entwicklung der beiden vom Frühwerk bis heute nach.
Am stärksten wird dieser mystische Zugang bei der häufigen
Verwendung des Kreuzes deutlich. Während bei Rainer für eine Serie etwa
bereits die Leinwand kreuzförmig zugeschnitten wurde, verwendete auch
Tàpies die symbolische Form immer wieder in seinen Farbreliefs.
Kratz mich!
Das Einkratzen von Linien ist ebenfalls Teil des Schaffensprozesses
von beiden geworden. Tàpies hat diese Technik freilich von Anfang an
eingesetzt.
Die frühen surrealen Grafiken und die übermalten Fotoarbeiten
Rainers weisen jedoch in andere Gefilde psychischer wie physischer
Prozesse als die Alchemie der Farbpaste und die aufgeladene Symbolik
der Mauerbilder, die von Tàpies mit Vorliebe eingesetzt werden.
Interessante Zyklen wie die Messerschmidt-Übermalungen oder die
Lithoserie "Wahnhall" lassen nur inhaltlich motivierte Parallelen
entdecken; vor allem das Spirituelle bis zur gnostisch esoterischen
Deutung des Materials verbindet die befreundeten Künstler, doch das ist
nur zu erfühlen, nicht unbedingt zu erkennen.
Die Skulpturenschau
Selber Schauplatz, andere Ausstellung: Im zweiten Stock des Museums
ist mit "Figur/Skulptur" die erste Ausstellung der neu angelegten
Skulpturensammlung zu sehen. Das Architektenteam "propeller z" hat den
Raum kreisförmig angelegt, wobei die Segmente auch als Podeste und
Sitzgelegenheiten dienen.
Tony Craggs polierte Edelstahl-Stele "Point of View" bildet als
scheinbar verzogenes Gesicht den Ausgangspunkt der Schau und ein
geheimnisvolles Blei-Abguss-Selbstbildnis des englischen Bildhauers
Anthony Gormley verweist auf die Exponate, die die Terrasse schmücken.
Allen voran der monumentale "Head of a Man" aus bemaltem Holz von
Stephan Balkenhol. Dazu die älteren österreichischen Positionen
Wotruba, Avramidis und Pillhofer, kombiniert mit Lüpertz, Palladino
oder Meese.
Natürlich ist ein großer Baselitz aus roh gesägtem Holz dabei:
"Meine neue Mütze", auch eine unappetitliche, von der Kloschüssel
fallende "Toilet Figure" von Paul McCarthey, die Wesen des Ateliers van
Lieshout dürfen auch nicht fehlen. Lemuren von Franz West wachen über
Wiedergänger-Kinder von Judy Fox, Spinnen von Louise Bourgeois treffen
sich mit der Zebralöwin von Deborah Sengl, Affenmenschen (Immendorf)
und fotografierte Skulpturen (Wurm) sowie ein Androgyn (Gironcoli)
begegnen sich hier friedlich.
Mittwoch, 14. September 2005