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vom 26.08.2005 - Seite 008
Hybride Kreaturen, paradoxe Maschinen

Die Ausstellung "Hybrid Creatures and Paradox Machines" zeigt Beispiele künstlerischer Auseinandersetzung mit Robotik, Bionik oder Bio-Engineering - kunstvoll konstruierte Apparate und poetisch nutzlose Maschinen.

Robotik, Bionik, Bio-Engineering sind Dauerbrenner auf dem Markt der Techno-Hypes - obwohl hochgeschraubte Ankündigungen und sichtbare Ergebnisse meist noch immer sehr weit auseinander liegen. Es sind aber auch Begriffe, die eng mit archaischen Vorstellungen von der Imitation und Verbesserung der Natur verknüpft sind.

Frühe Mischwesen

Als eines der ersten Motive prägen hybride Kreaturen in der frühgriechischen Kunst die unterschiedlichsten Objekte. Die Kunstgeschichte interpretiert diese Mischwesen als Gegenentwürfe zur Kultur der Griechen, als Inbilder für die barbarische Peripherie der Welt.

Die Ausstellung zeigt aktuelle Annäherungen von Künstlern an die Thematik: kunstvoll konstruierte Apparate, erfrischend ironische Paraphrasen und poetisch nutzlose Maschinen, Verbindungen von realen und virtuellen Erscheinungsformen, pseudo-intelligente Software-Agenten, aufmüpfige digitale Charaktere.

Munetero Ujino etwa benutzt für seine paradoxe Maschine "Love Arms" Elemente von Motorrädern, Lastwagen und Elektroteile und baut daraus riesige Instrumente, die auf den Körper des Spielers geschnallt werden und ihm beim Spielen beträchtliche Kraft abverlangen.

Hybride Kreaturen brachten einige Künstler in die thematische Nähe der Schönheitsideale. "Miss Digital World" ist die Suche nach einem zeitgenössischen Ideal der Schönheit, realisiert durch Virtual Reality. Der italienische Designer Franz Cerami hat bereits zum zweiten Mal einen weltweiten Wettbewerb für 3D-Models veranstaltet. Die Kreationen haben auch Biografien und individuelle Eigenheiten.

Amüsant scheint der "Watschendiskurs" der deutschen Künstler Frank Fietzek und Uli Winters zu werden. Zwei Marionetten diskutieren über Sprachtheorie -Êmit mehr oder weniger geistreichen Aussagen - auch Wittgenstein ist dabei - über das Wetter. Ein Schlag ins Gesicht gibt dem intellektuellen Diskurs eine neue Richtung.

Bei "The Ladder" des Iren John Gerrard, der bereits als Artist-in-residence im AEC bekannt ist, ist es die winzige virtuelle Figur auf einer Leiter, die durch ein Fenster in die reale Welt hinausblickt. Sie beschreibt die Szenerie, zeichnet gelegentlich mit den Händen die Umrisse eines Objektes nach und äußert Bedenken über den Zustand der Welt.

Bilaterale Beziehungen

Das Konzept von "Hybrid Creatures and Paradox Machines" entstand im Austausch und in Kooperation mit der e-Golems-Biennale. Diese Biennale fußt auf einem Vorschlag Argentiniens an die Tschechische Republik, die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Staaten durch eine Veranstaltung zu einem Themenbereich zu fördern, der von beiderseitigem Interesse wäre. Gleichzeitig sollte sie einen Beitrag zum Fortschritt auf kulturellem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet leisten sowie für Wissenschafter, Forscher, Intellektuelle und Künstler aus der ganzen Welt zugänglich sein.

Die Ausstellungen zu den hybriden Kreaturen und paradoxen Maschinen sind während des Festivals im Architekturforum Oberösterreich, im Brucknerhaus und im ÖBB-Hauptbahnhof Linz zu sehen.

Exemplarisch für eine paradoxe Maschine: "Love Arms" von Munetero Ujino

Foto: Matsukage Hiroyuki

Schönheitsideal "Miss Digital World"? (A. Baptistao)

=Kunst ist die Nahrung der Hybridisierung. Sie übersetzt und transportiert die Formen einer Kultur in die einer anderen, indem sie Teile von beiden hervorhebt und mischt.}

DERRICK DE KERCKHOVE

SYMPOSIUM: Suche nach Strategien und Mustern, die zur Vermischung beitragen

"Das erste Hybridwesen ist der Mensch"

Die rasante und breite Entwicklung von hybriden Phänomenen und neue Technologien als deren wesentliche Triebkräfte stehen im Mittelpunkt des diesjährigen Ars Electronica Festivals.

Der Analyse von Ursachen, Folgen und tieferen Zusammenhängen dieses Trends widmet sich das Hybrid-Themensymposium im Brucknerhaus Linz, kuratiert von Derrick de Kerckhove, Leiter des Marshall McLuhan Program in Culture & Technology an der University of Toronto.

"Das erste Hybridwesen ist der Mensch. Und er lebt in einem Paradoxon, als Mischung von Geist und Materie", sagt de Kerckhove. "Neue Triebkräfte der Hybridisierung haben sich herausgebildet, die den hybriden Zustand des Menschen immer deutlicher zutage treten lassen." Mit der Globalisierung komme die Implosion, in der alle Kulturen aufeinanderprallen und sich die Zeitzonen überlagern, und die Digitalisierung bringe einen steten Fluss immer neuer Kombinationen hervor.

Integration oder Bruch

"In dieser Implosion integrieren sich die Dinge - oder sie zerbrechen", erläutert Derrick de Kerckhove eine wesentliche konzeptionelle Triebfeder des diesjährigen Symposiums.

Termin: Hybrid-Symposium, 2. und 3. 9. Brucknerhaus, Mittlerer Saal

Kurator Derrick de Kerckhove Foto: rubra


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