Salzburger Nachrichten am 14. Juni 2003 - Bereich: kultur
In der Stadt der Kunst

Heute, Samstag, öffnet die Biennale für zeitgenössische Kunst in Venedig zum 50. Mal ihre Pforten. In diesem Jahr erscheint die Vielfalt besonders groß.

ELISABETH RATH

berichtet aus Venedig

Bei brütender Hitze wurden die letzten Vorbereitungen getroffen für die heutige Eröffnung der Biennale für zeitgenössische Kunst in Venedig, die heuer zum 50. Mal stattfindet. Wie ein Sinnbild für die Kunst liegt eine technoid wirkende, hochmoderne Motoryacht neben dem eleganten hölzernen Zweimaster, einem Oldtimer unter den Segelschiffen, unweit der Haltestelle der Giardini. Hier in Venedig finden in unverwechselbarer Form Alt und Neu zusammen.

Die teilweise verfallenen Palazzi schaffen eine kongeniale Atmosphäre für die Präsentation von Kunst, wie man das sonst nirgends auf der Welt sieht. Aber auch umgekehrt hinterlassen zeitgenössische Künstler Spuren in der Stadt. Die Wasserfontänen vor dem Bahnhof sind ebenso als Kunstinstallation zu verstehen wie das Schiff mit den aus Eisenblech geschnittenen Figuren, die nur vom Wasser aus wirklich gut sichtbar sind.

Vor dem Arsenale kündet eine liegende begehbare Metallröhre von der Schau "Träume und Konflikte - Von der Diktatur des Zuschauers", eine Arbeit, die in der ergänzenden Schau von Künstlern aus Hongkong gegenüber dem Arsenaleeingang eine Fortsetzung findet.

Auch Shu Lea Cheang, eine taiwanesische Künstlerin und Teilnehmerin der Präsentation des "Taipei fine arts museum of Taiwan", setzt Akzente in der Stadt. In ihrem kritischhumoristisch absurden Projekt "Garlic-Rich-Air" verteilt sie unter anderem Geldscheine an Passanten, wobei die Werteinheit in Knoblauch bemessen wird und den Bezug zur ebenso schönen wie teuren Stadt Venedig sofort herstellt.

Wo beginnen, fragt sich der Besucher angesichts der Fülle dieser Monsterschau, die heuer neben den traditionellen Plätzen, Giardini, Arsenale und den vielen über die Stadt verstreuten Ausstellungsorten auch das Museo Correr in den Biennalebetrieb integriert hat. Dort wird die vom Direktor selbst kuratierte Schau "Von Rauschenberg zu Murakami, 1964-2003", in der Francesco Bonami die Geschichte der Malerei der letzten 40 Jahre befragt, gezeigt. Zum ersten Mal bei der Biennale dabei, sind Bosnien und Herzegowina mit einer jungen ehrgeizigen Präsentation, die im UNESCO-Gebäude im Palazzo Zorzi gezeigt wird.

Österreich zeigt einzig Bruno Gironcoli

Im Unterschied zu vielen anderen Ländern präsentiert sich Österreich in den Giardini mit einer Einzelausstellung, die angesichts der zur Undurchschaubarkeit neigenden Gesamtschau als Einstieg bestens geeignet ist. Mit dem 66-jährigen Bruno Gironcoli wurde ein Vertreter der renommierten Künstlergeneration ausgewählt, der in seinem künstlerischen Ansatz hochaktuell im Heute steht.

Die beeindruckende Zusammenschau seiner Inszenierungen des Absurden zeugt von einem dauernden Hin- und Herpendeln zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit - gerade so, wie es die hochtechnisierte Medizin täglich zeigt. Beeindruckend sind selbstverständlich die großen Skulpturen, wo Hände, Köpfe und andere isolierte Körper- und Organteile, egal ob menschliche oder tierische, eine Verbindung eingehen mit Formen, die an Maschinenteile erinnern. Sie erzählen von einer ständigen Metamorphose der Dinge und stellen jegliches Geschehen einmal grundsätzlich in Frage. Gironcolis mechanischabstrakte, vegetabilorganische Apparaturen des Absurden zeigen, wie schnell die Gewissheit zum Trugbild wird.

In diesem Sinn gilt es, die gesamte Biennale nicht voreilig verstehen zu wollen. Schon immer glich sie einem Marathon. Dieses Mal bekommt sie durch die Vielzahl der unabhängig voneinander tätigen Kuratoren noch einmal einen zusätzlichen Akzent in Richtung Vervielfältigung der Ideen. Ob und wie alles zusammenhängt, wird sich erst später zeigen.