VN Fr, 6.12.2002

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Lassen Sie sich signieren

"Medium Berge": Zum Finale ein Buch

Bregenz (VN-cd) In Fortsetzung der Arbeit von Marcel Duchamp, der mit seinen "Ready-mades" eine Ideen-Kunst entwickelte, hat der Vorarlberger Gottfried Bechtold im Sommer dieses Jahres die Silvretta-Staumauer signiert. In der Folge kann sich das Publikum (auch das irritierte) nun mit der Künstlersignatur konkret auseinander setzen: 30 Minuten lang signiert Bechtold heute Abend alles, was man ihm vorlegt.

Duchamps Überlegungen hätten, so Bechtold, keine Wirkung gehabt, wenn er die Alltagsgegenstände, die er zu Kunstwerken erhob (und die inzwischen zu Ikonen der Kunst des 20. Jahrhunderts geworden sind) nicht ins Museum gebracht hätte. Eine Staumauer kann man nicht ins Museum bringen. Bechtold hat sie signiert. Die von Oscar Sandner kuratierte Sommerausstellung "Medium Berge" hatte eine Außenstelle im Gebirge, das Land Vorarlberg hat nun an einem seiner begehrtesten Orte ein Kunstwerk.

Das ging nicht ohne Diskussionen ab. Den üblichen. Zuletzt wollten auch noch - ansonsten modern denkende - Historiker festlegen, wo Kunst überhaupt geschaffen werden darf. An einer Mauer, die auch von zahlreichen Zwangsarbeitern errichtet worden ist, offensichtlich nicht. So gesehen stellt sich die Frage, wer es denn verabsäumt hat, ein entsprechendes Mahnmal für die Geschundenen durchzusetzen. Künstler nicht.

Das Ausstellungsprojekt ist abgeschlossen (zumindest in Vorarlberg), das Werk von Bechtold (zu der auch die "Skulptur im Gebirge" zählt) bleibt. Was zudem bleibt, ist ein Buch.

So hoch wie Goethe?

Kein Katalog, sondern eine Publikation, in der das Erlebnis Berg (dem sich mehr als zwanzig vorwiegend österreichische Künstler widmeten) auch literarisch bewältigt wird. Bei dieser Unternehmung richtet sich der Blick darauf, "wie Berge Menschen erheben, stimulieren erobern, der Blick richtet sich auf Leidenschaft", schreibt der Kunsthistoriker und Kurator Oscar Sandner. Er wollte den ideologiefreien Blick, hat das Projekt mit George Leigh Mallory jenem Menschen gewidmet, dem wahrscheinlich die Erstbesteigung des Mount Everest gelang.

Die Arbeiten wurden erwähnt. Nach all diesen Gipfelsiegen, Eroberungen und Ängsten, bleibt die Sicht der Künstlerinnen noch zu unterstreichen. Ona B. errichtete dem abgestürzten Mallory bekanntlich ein weiches, rotes (Toten-)Bett. Isabel Sandner spielt mit Schicksal, Legende und Wahrheit, und dem feinen Humor der Autorin Ulrike Längle ist kein Gipfel zu hoch. Es fragt sich nicht, wie Goethe ("Über allen Gipfeln . . .") die Schweizer Berge sah, sondern wie die Berge auf Goethe blickten, heißt es in ihrem Beitrag für das Buch. Antwort: Von oben herab.

Der Blick richtet sich darauf, wie Berge Menschen erheben, stimulieren, erobern.

OSCAR SANDNER KUNSTHISTORIKER

"Perfect weather for the job." (Leider nicht.) Letztes Foto von Mallory und Irvine am Mount Everest. Installation von Isabel Sandner.




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