Bregenz
(VN-cd) In Fortsetzung der Arbeit von Marcel
Duchamp, der mit seinen "Ready-mades" eine Ideen-Kunst entwickelte,
hat der Vorarlberger Gottfried Bechtold im Sommer dieses Jahres die
Silvretta-Staumauer signiert. In der Folge kann sich das Publikum
(auch das irritierte) nun mit der Künstlersignatur konkret
auseinander setzen: 30 Minuten lang signiert Bechtold heute Abend
alles, was man ihm vorlegt.
Duchamps Überlegungen hätten, so Bechtold, keine Wirkung
gehabt, wenn er die Alltagsgegenstände, die er zu Kunstwerken erhob
(und die inzwischen zu Ikonen der Kunst des 20. Jahrhunderts
geworden sind) nicht ins Museum gebracht hätte. Eine Staumauer kann
man nicht ins Museum bringen. Bechtold hat sie signiert. Die von
Oscar Sandner kuratierte Sommerausstellung "Medium Berge" hatte eine
Außenstelle im Gebirge, das Land Vorarlberg hat nun an einem seiner
begehrtesten Orte ein Kunstwerk.
Das ging nicht ohne Diskussionen ab. Den üblichen. Zuletzt
wollten auch noch - ansonsten modern denkende - Historiker
festlegen, wo Kunst überhaupt geschaffen werden darf. An einer
Mauer, die auch von zahlreichen Zwangsarbeitern errichtet worden
ist, offensichtlich nicht. So gesehen stellt sich die Frage, wer es
denn verabsäumt hat, ein entsprechendes Mahnmal für die Geschundenen
durchzusetzen. Künstler nicht.
Das Ausstellungsprojekt ist abgeschlossen (zumindest in
Vorarlberg), das Werk von Bechtold (zu der auch die "Skulptur im
Gebirge" zählt) bleibt. Was zudem bleibt, ist ein Buch.
So hoch wie Goethe?
Kein Katalog, sondern eine Publikation, in der das
Erlebnis Berg (dem sich mehr als zwanzig vorwiegend österreichische
Künstler widmeten) auch literarisch bewältigt wird. Bei dieser
Unternehmung richtet sich der Blick darauf, "wie Berge Menschen
erheben, stimulieren erobern, der Blick richtet sich auf
Leidenschaft", schreibt der Kunsthistoriker und Kurator Oscar
Sandner. Er wollte den ideologiefreien Blick, hat das Projekt mit
George Leigh Mallory jenem Menschen gewidmet, dem wahrscheinlich die
Erstbesteigung des Mount Everest gelang.
Die Arbeiten wurden erwähnt. Nach all diesen Gipfelsiegen,
Eroberungen und Ängsten, bleibt die Sicht der Künstlerinnen noch zu
unterstreichen. Ona B. errichtete dem abgestürzten Mallory
bekanntlich ein weiches, rotes (Toten-)Bett. Isabel Sandner spielt
mit Schicksal, Legende und Wahrheit, und dem feinen Humor der
Autorin Ulrike Längle ist kein Gipfel zu hoch. Es fragt sich nicht,
wie Goethe ("Über allen Gipfeln . . .") die Schweizer Berge sah,
sondern wie die Berge auf Goethe blickten, heißt es in ihrem Beitrag
für das Buch. Antwort: Von oben herab.
Der Blick richtet sich darauf, wie Berge Menschen
erheben, stimulieren, erobern.
OSCAR SANDNER KUNSTHISTORIKER
"Perfect weather for the job." (Leider nicht.) Letztes Foto von
Mallory und Irvine am Mount Everest. Installation von Isabel
Sandner.