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Kunstberichte

Die Albertina bietet mit "Oskar Kokoschka. Exil und neue Heimat 1934 – 1980" einen breiten Querschnitt

Vom Revolutionär zum Klassiker

Wohl eine der berühmtesten Stadtansichten, die es von Prag gibt: Oskar Kokoschkas Blick auf die Karlsbrücke. Das Bild entstand 1934 und steht am Beginn der Chronologie der Schau.  Foto: Fondation Oskar Kokoschka/VBK, Národnígalerie, Prag

Wohl eine der berühmtesten Stadtansichten, die es von Prag gibt: Oskar Kokoschkas Blick auf die Karlsbrücke. Das Bild entstand 1934 und steht am Beginn der Chronologie der Schau. Foto: Fondation Oskar Kokoschka/VBK, Národnígalerie, Prag

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Einen breiten Querschnitt bietet dank vieler privater Leihgeber die Ausstellung über das Werk Oskar Kokoschkas ab seinem fünften Lebensjahrzehnt in der Albertina. Wenn einer mehr als neunzig Jahre alt wird, handelt es sich dabei um die Hälfte seines Schaffens. Seine Witwe Olda Palkovská Kokoschka hat der Albertina vor allem die vielen mit Buntstiften gezeichneten Skizzenbücher überlassen, womit neunzig Werke auf Papier aus dem Haus kommen. Dabei handelt es sich lediglich um die zerlegten Skizzenblöcke.

In Prag lernte sich das Paar kennen, dort malte er den Präsidenten, wurde Staatsbürger der Tschechoslowakei - hier beginnt die Chronologie der Schau 1934. Er blieb bis 1938 und malte die berühmten Stadtansichten mit der aus der antiken Optik entnommenen Methode der zwei Fluchtpunkte. Dieser Trick gegen die lang gewohnte Zentralperspektive lässt ein Gefühl unendlicher Weite entstehen, verstärkt durch die Schräge der Karlsbrücke.

Auch seine Räume entstehen aus einer mit bewegtem Pinsel gesetzten Farbspur der Unruhe. Dieser expressive Zug bleibt ein Leben lang, auch als die Themen längst klassisch wurden. Ist Kokoschka deshalb ein altmodischer Künstler in seiner zweiten Lebenshälfte? Diese Frage wird sich jeder Besucher selbst stellen müssen, wenn er dem Mann gegen den Zeitgeist nach England folgt und dann nach dem Zweiten Weltkrieg zurück in die Schweiz und nach Österreich.

Abneigung gegen alle Ideologien

Der Genfer See war schon in jungen Jahren anziehend für Kokoschka: Wasser und Berge blieben von ihm bevorzugte Sujets, aber daneben waren es weiter Porträts, Städtebilder und politische Parabeln. Seine Abneigung gegen alle Ideologien ließ ihn von "Das rote Ei" bis zur späten Allegorie "Die Frösche" auch immer wieder politisch auftreten – dazu schreibt übrigens prominent Werner Hofmann im Katalog.

Doch Kokoschka war auch von der Weltliteratur, vom Theater und der Musik beeinflusst. Dazu ist das Ölgemälde "Morgen und Abend" eine Eigenparaphrase zu "Die Macht der Musik" von 1920. Diese Paraphrase ist nun wieder in Wien zu sehen, bereits 1991 ist Klaus Albrecht Schröder die Neupositionierung des Spätwerks Kokoschkas erstmals im Kunstforum gelungen.

Davor war Kokoschka, der wie Picasso die gegenstandslose Abstraktion missachtete, im Alter Konservativismus nachgesagt worden. Doch mit der Wiederkehr der neuen wilden und auch figurativen Malerei wurde er schon in den 80er Jahren zum visionären Vorläufer der Postmoderne.

Der Zeitgeschmack änderte sich, Kokoschkas malerische Appelle an die individuelle Freiheit blieben: So seine grandiose Koketterie mit einem teuflischen Tod an der Türschwelle: "Time, Gentleman please" aus dem Jahre 1972. Das alte Thema der Kreuzigung war neben der Antikensehnsucht sein Abgesang.

Im Grunde erging es ihm wie seinem Professor an der Kunstgewerbeschule, Anton von Kenner, die Jahre machten Kokoschka nicht nur milder, sondern auch zum Satiriker. Damit schließt sich der Kreis zur Ausstellung des Frühwerks, die im Wiener Belvedere zu besichtigen ist.

Oskar Kokoschka

Albertina Basteihalle

Antonia Hoerschelmann (Kuratorin)

bis 13.Juli

Donnerstag, 10. April 2008

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