Alfons Schilling gehört zu den großen
Experimentatoren, die im Umkreis der Wiener Aktionisten ein
eigenständiges Werk entwickelt haben. Nur am Anfang trieb ihn die wilde
Geste, er hat aber die Theatralik von Happenings nie mit dem Drang zum
Delikt kombiniert.
Nach dem Bau rotierender Bilder, 1961 in
Paris, ging er in die USA und widmete sich seiner speziellen
Wissenschaft des Sehens. Er baute für seine Vorstellung einer
Erweiterung der Malerei eigene Sehmaschinen, die ihm nicht nur andere
Dimensionen durch mit Spiegeln erweiterte Augenwinkel eröffneten,
sondern auch verkehrte Bilder und größere Raumtiefen erschlossen.
Nebenprodukte als Hauptwerke
Aus den "Nebenprodukten" wurden Hauptwerke, die mit den begleitenden
Skizzen zwischen Kunst und Wissenschaft korrespondieren. All das
passierte lange bevor dies im künstlerischen Vorgehen wesentlich wurde.
2006 konnte das MAK diese Sehmaschinen ankaufen und zeigt sie nun nach
zwanzig Jahren ein zweites Mal bis September in der Schausammlung
Gegenwart unter dem Dach.
Die mit Rad und Vogel titulierten Holz-, Spiegel- und
Linsenkonstrukte haben nicht an innovativem Flair verloren, auch wenn
der Künstler seine fünfzig Kilo schweren Geräte heute nicht mehr in die
Landschaft tragen kann.
In New York kam es auch zu fotografischen Experimenten Schillings
mit Linsenrasterfotografie und Holographie. Die analoge Kamera und ihre
Ergebnisse sind für ihn eine zyklopische Angelegenheit. Die
"Lichtpumpe" (1981) erinnert formal an ein Barockgesims, da hat er wohl
die Wiener Architekturwelt auf seine Schultern geladen, in der Hoffnung
sie durch Bewegung zu verändern.
Die Erweiterung des Sehens
Ein frühes gezeichnetes Skizzenbuch aus Mali von 1977/78 weist auf
Schillings Interesse an der Befestigung von Masken an Kopf und Körper.
Wie die experimentierende Architekturavantgarde um Hans Hollein,
Walter Pichler und Raimund Abraham, benützte auch Schilling seine
transportablen Maschinen, um das Sehen mittels Bewegung, Gewicht und
Linsentechnik zu erweitern. Damit wurde er, obwohl die Malerei ihn
wahrnehmungstheoretisch stets weiter beschäftigte, zur
Ausnahmerescheinung. Aber auch die Schnittstelle hin zur Fotografie
erkannte er lange vor der großen Begeisterung für ein Crossover der
künstlerischen Medien. Zudem wählte er sich die Aufstände in Chicago
1968 als Thema und dokumentierte auch die Anwesenheit von Jean Genet
zwischen Demonstranten und brennenden Autos.
Am Hudson River hat Schilling ein gigantisches Stereoskop im
öffentlichen Raum hinterlassen – für alle New Yorker, die ihren Blick
erweitern wollen.
Alfons Schilling
Sehmaschinen 007
MAK Schausammlung
Gegenwart
Kurator: Rüdiger Andorfer
Zu sehen bis 30. September
Lehrgang im
Anders-Sehen.
Dienstag, 24. April 2007