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21.07.2006 - Kultur&Medien / Kommentare
Kunstlicht: Größe allein ist zu wenig
ALMUTH SPIEGLER

W
oran messen wir heute Mu seen? An den hunderttausen den Besuchern? An den Milliarden an Versicherungssummen? An den fettesten Sponsoren-Schecks? An den dunkelsten Sonnenbrillen der Stargäste aus Hollywood? Ja, genau.

Kunst muss sich heute zum Erlebnis prostituieren, um massentauglich zu werden. Das ist eine Facette mehr im System - und soll nicht zu einem Plädoyer für verschnarchte Studien-Aufstellungen führen. Sondern zu einem für visionäre Professionalität.

Etwas, was im Musikland Österreich, wo Kultur ohne lästige Umwege übers Hirn am besten direkt aus dem Bauch herauskommen und in der Magengrube kribbeln soll, naturgemäß recht unpopulär ist. Bildende Kunst muss glänzen oder bluten, um zu bewegen. Und nicht einmal das scheint mehr - siehe Adele - eine Garantie. Mit Kunst ist hier kein Staat zu machen. Das hat die Politik leider gründlich kapiert.

Die Einzigen, die das nicht recht glauben wollen, scheinen manche Museumsdirektoren zu sein. Glaubt denn Mumok-Chef Edelbert Köb allen Ernstes daran, dass sich Ministerin Gehrer gerade jetzt im Wahlkampf felsenfest hinter ihm aufbauen wird, bei seinem Vorhaben, in den Rinderhallen St. Marx eine Dependance zu gründen? Oder MAK-Direktor Peter Noever, dass er durch jährlich abgehaltene Pressekonferenz-Rituale Bund oder Stadt vielleicht einmal so mürbe machen wird, dass sie sich an seinem "Contemporary Art Tower" im Flakturm beteiligen?

V
isionen? Toll! Aber bevor sie der Öffentlichkeit angetragen wer den, sollte ihre Umsetzbarkeit doch ein wenig bodenständiger abgecheckt werden. Sonst enden hochfliegende Plänen als ewige Bubenträume. Und das dient der Sache nicht.

Denn während die Sammlungen ohne großzügige Unterstützung von Politik und Wirtschaft dahinvegetieren, wird so die ohnehin geringe Aufmerksamkeitsbereitschaft auf unrealistische Bauprojekte gelenkt. Als wenn es auf die Größe der Räume ankommen würde! Und darauf, in Zeiten, in denen nur Sonderschauen Besucher anlocken, historische Sammlungen schulmeisterlich aufzustellen.

Das Guggenheim New York selbst etwa hat eine nur halb so große Ausstellungsfläche wie die 8000 Quadratmeter, die Bonn jetzt für den Gast freiräumt - etwa so viel wie das Wiener MuMoK (4500 qm). Die Sammlung war das letzte Mal vor 14 Jahren zu sehen, und da nicht so umfangreich. Jetzt wird sie wohl eine Million Schaulustige anlocken. Als Event. Genau. Weil Kunst heute danach gemessen wird. Ob uns das passt oder nicht.

Welche Inhalte derart verpackt vermittelt werden können, steht allerdings auf einer anderen Karte. Was glauben Sie, war die bestbesuchte Guggenheim-Ausstellung? Motorräder? Nein. Eine Retrospektive von Medienkünstler Nam Yun Paik.

almuth.spiegler@diepresse.com

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