Quer durch die Galerien
Beduine ohne Gummistiefel
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Ein Sonnenbrand wird nicht durch engen Körperkontakt übertragen, Feuer
schon. Deshalb liegen keine Zünder neben der Feuerstelle von Richard
Künz. Einblick in die Künstlerhaus Galerie. Judith Fischer |
Von Claudia Aigner
Neil Armstrong hat sicher nicht damit gerechnet, dass er, der
Stargast auf dem Mond, er, der bedeutendste Tourist des Jahres 1969,
dass also ausgerechnet er just in dem erhabendsten seiner Momente, als
er also gerade seinen großen Schritt für die Menschheit machte, in ein
Hundstrümmerl treten würde. Mit einem Pokerface sagte er trotzdem seine
spezielle Relativitätstheorie auf, an der er fast so lange gearbeitet
hatte wie Einstein an der seinen.
Armstrong hatte nämlich erkannt, dass Schrittlängen relativ sind,
weil das, was für den einen auf dem Mond ein kleiner Hupfer ist, für
die Bewohner unten auf der Erde genauso gut ein Weitsprung sein kann.
Künstlerhaus Galerie: Natur pur unter den Füßen
Hat er sich bloß nichts anmerken lassen oder wieso ist von ihm nicht
das geflügelte Wort überliefert: "Ein kleiner Schritt für einen
Menschen . . . Shit, die Russen waren schneller!"? Vermutlich weil die
Hündin Laika (und die war ja eine Russin) doch nicht
unbemerkt auf dem Mond Gassi gegangen ist, sondern planmäßig mit
Sputnik 2 verglüht ist, und weil anscheinend tatsächlich nie der späte
Triumph einer gequälten Vierbeinerin auf Armstrongs Moonboots gepickt
ist.
Das dürfte auch der Grund sein, weshalb Beduinen in der Sahara keine
Gummistiefel anhaben. Weil die Wahrscheinlichkeit, in der Wüste einer
Wasserlacke zu begegnen, nur unmerklich höher ist, als auf dem Mond
über eine verdaute Dose Pedigree zu stolpern.
Und genau diesem durstigen und womöglich gummistiefelfeindlichsten
Ort auf der Welt, wo einen der Hitzschlag aus heiterem Himmel
niederstreckt wie eine plötzlich herabsausende gigantische
Fliegenklatsche und wo man laut Statistik eher von einem Golfball am
Kopf getroffen wird als von einem Schatten, dieser Gegend, wo der
Sonnenbrand dermaßen apokalyptische Ausmaße annehmen kann, dass dem
rotglühenden Wanderer schon eine riesige, gut gebaute
Sonnenmilchflasche mit geilen breiten Hüften als Fata Morgana
erscheint, die ihn mit ihren prallen Sonnenmilchbrüsten säugen will,
huldigt Behruz Heschmat in einer geradezu religiösen Installation.
"Herr Ober, ein Schalerl Regen mit Schlag, bitte!"
Vor dem Foto einer Sanddüne (ein Andachtsbild) drehen sich zwei
australische Regenrohre, die mit ihren rieselnden Körnern, die sich wie
viele, viele fallende Wassertropfen anhören, den Regen beschwören. In
der Wüste kann man ja nicht einfach den Regenschirm aufspannen (wie man
im Wirtshaus ein leeres Schnapsglas hochhält, damit der Kellner
herbeieilt und es einem wieder auffüllt). Die Regenwolken hat man damit
vielleicht bestellt , aber in der Wüste wartet man länger als anderswo, bis man bedient wird.
"natur (skul)p(t)ur": Eine unglaublich stimmige und sensibel
durchkomponierte Ausstellung hat Judith Fischer da in der
Künstlerhaus-Galerie zusammengestellt. Mit auratischen Objekten, die
freilich von der beschaulichen, zahmen Natur erzählen, nicht von der,
die gerade erst wieder über unsern Globus hergefallen ist mit ihren
Elementen (Feuer, Wasser, Schlamm, Katrina). Und die so unzivilisiert
ist und dauernd Tobsuchtsanfälle hat.
Wenn Alfred Graf in der Landschaft Reliquien sammelt (Steine, Sand,
Torf), um sie in Bienenwachs einzuschließen, jeweils in Würfelform,
dann ist kein Andenken vom Tiefdruckgebiet Norbert dabei (eine Probe
aus einer Mure zum Beispiel) oder von einem andern meteorologischen
Bengel, der sich aufführt wie ein Kind im Trotzalter. Zur feierlichen,
kirchlichen Stimmung in diesem Natur-Archiv fehlt nur noch, dass aus
den 16 Wachswürfeln Kerzendochte heraushängen. (Die Natur ist ja
übrigens selber eine Archivarin von naturkundlichen Exponaten. Damit
Insekten für die Schaulust stillhalten, konserviert sie etwa eine Gelse
in Bernstein wie der Mensch ein biologisches Fundstück in Formalin.)
Der Dompteur zum Zündholz: "Hopphopp ins Inferno!"
Richard Künz hat eine funktionstüchtige Feuerstelle aufgebaut, aus
Brennholz, also die Grundausstattung für domestizierte, dressierte
Flammen, und hat dann doch keine Streichhölzer hingelegt, das
Werkzeug, mit dem die Pyromanen das Inferno einschalten, die davon
profitieren, dass Feuer ansteckend ist und es keine Sprinkleranlage im
Wald gibt.
Und von Judith Fischer selbst gibt’s ein Foto von einem Gelege aus
Rieseneiern, eingebettet in echtes Heu. Unter einem Gewitter und Unheil
verkündenden Himmel. Wird die erste Äußerung von dem, was da aus diesen
unnatürlichen Stahlblecheiern schlüpft, nicht "piep!" sein, sondern:
"Hasta la vista, Baby"? Ist das Nest das Kinderzimmer von lauter
kleinen Terminatoren, von Androiden, die aussehen wie Schwarzenegger
als Baby und die sich mit dem MG selber den Weg aus dem Metall-Ei
freischießen?
Und vorm Künstlerhaus draußen wacht der versteinerte Drache von
Ulrike Truger , den die Passanten gern reiten wie ein Parkbankerl. Der
hat den suggestiven Charme eines Felsbrockens, den die Erosion
bearbeitet hat, die ja eine begnadete Bildhauerin ist.
Galerie Frey: Die Modelle flattern schon wieder
Sechs Neue, die am Kunstmarkt gerade erst anklopfen, in der Galerie
Frey. Für mein Langzeitgedächtnis vorgemerkt hab’ ich Josephine Scianna
(sauber gemalte Szenen im Schwarzweißfotolook, in feinen
Farbstimmungen) und Anna Schreger , die ihrem schwarzen Permanentmarker
ungeahnte Grautöne entlockt, während ihr eitle, phantasievoll in Form
gebrachte Stoffe, die viel Persönlichkeit zu bieten haben, Modell
stehen und flattern.
Freitag, 09. September 2005