Salzburger Nachrichten am 4. März 2005 - Bereich: kultur
Supermarkt der Konzepte John Baldessaris Spiel
mit den Sehgewohnheiten in Wien und Graz
WIEN (SN-h.s.) Mit seinen medienbezogenen Malereien, Fotoarbeiten,
Videoperformances und Filmen zählt der 74-jährige amerikanische Künstler
John Baldessari zu den vielseitigen Vertretern konzeptueller Kunst. Das
Museum Moderner Kunst (Mumok) in Wien zeigt gemeinsam mit dem Kunsthaus
Graz ab heute, Freitag, eine Retrospektive Baldessaris, die erstmals einen
repräsentativen Überblick über sein bisheriges Gesamtwerk gibt. Während im
Mumok das Schaffen vom Frühwerk bis in die beginnenden Achtzigerjahre zu
sehen ist, zeigt Graz die neueren, in den letzten 20 Jahren entstandenen
Arbeiten. Unter den Künstlern, die den Diskurs über Kunst zur Grundlage und zum
Bestandteil ihrer Arbeit machten, zeichnet sich Baldessari durch eine
ironisch geprägte Verknüpfung von Malerei und Fotografie, von Bildern und
Sprache aus. So geht es dem Amerikaner (dessen Vater Südtiroler war) nicht
darum, eine unmittelbare Bedeutung seiner Kunst zu zeigen. Vielmehr will
er zeigen, wie es "der Blick" des Betrachters ist, der die Bedeutung eines
Kunstwerks bestimmt. So bezieht sich auch der Titel der Wiener Schau "A Different Kind of
Order" auf Baldessaris Herangehensweise, Ordnungen zu brechen. Die
Ausstellung, die hier auf zwei Ebenen zu sehen ist, beginnt mit Arbeiten
aus den 60ern, die an den "Abstrakten Expressionismus" erinnern. Zugleich
verwendete er Ausschnitte aus Plakaten, denen er durch Übermalung neue,
ungewohnte Bedeutungen gab. Damit sollte es aber bald vorbei sein; 1970 wandte er sich demonstrativ
von der zeitgenössischen Malerei ab und stellte fortan die Fotografie und
neuere Medientechnologien (wie Videoperformances, die für die Ausstellung
auf DVD übertragen wurden) in den Mittelpunkt seines Schaffens. Diese neue Schaffensphase zeigen die bekannten Fotoserien, in denen
Baldessari Abweichungen von genau festgelegten Kompositionszielen zum
Thema macht: Vier in die Luft geworfene Bälle etwa sollen ein Quadrat
bilden, aber Baldessari hält fest, wie diese Vorgabe nicht immer erreicht
wird. Auch bei verschiedenen Videoperformances hat der Künstler dieses System
verfolgt: So lässt er Szenen aus bekannten Hollywoodfilmen nachstellen und
fügt sie zusammen, obwohl sie nicht zusammenpassen. Witzig ist auch die
Arbeit "Framed Height", in der er die Körpergrößen verschiedener
österreichischer Künstler (Export, Kogler, West) vermisst; Bilderrahmen
mit den Namen der Künstler werden genau auf die jeweilige Körperhöhe
gehängt und dadurch dem Künstler zugeordnet. Eine seiner Arbeiten heißt "I will not make any more boring art". Das
gilt ganz gewiss für die Ausstellungen in Wien und Graz. John Baldessari
im Mumok Wien 4. März bis 3. Juli; im Kunsthaus Graz 5. März bis 16. Mai.
Jeweils ein eigener Katalog. |