Nitsch, signier!

Die Galerie Grita Insam war von Anfang an ein Ort, wo man aktuellste Tendenzen kennen lernen konnte - auch als das in Wien noch nicht selbstverständlich war.
Von Dorothee Frank.


Am Beginn war es ein kleiner, cooler Raum auf dem Platz am Hof im ersten Wiener Bezirk. Eine ehemalige Bankfiliale - dort befand sich die erste Galerie Grita Insam. 1977 folgte die Expansion. Auf ihren 800 Quadratmetern fühlte sich die Galeristin damals wie in einer kleinen Kunsthalle: "Es war dann wirklich so ein aktiver Raum mit Öffentlichkeit, Performances, Konzerten, und zeitgenössischer Musik", erinnert sich Insam.

Seit 30 Jahren ist sie ein qualitativer Fixpunkt in der Wiener Galerienlandschaft. Gefeiert wird das Jubiläum mit einer Ausstellung, in der Galerie in der Köllnerhofgasse, die Mittwoch Abend eröffnet wird. "En avant", vorwärts, zeigt 16 junge, internationale, zum Teil noch wenig bekannte Künstler.


Kleine Galerien-Szene in den 70er Jahren

Die Wiener Galerienlandschaft war in den 70er Jahren - höflich ausgedrückt - sehr leicht überschaubar. Es gab kaum zehn international agierende Galeristen.

Mit ihrer inhaltlichen Linie hatte Grita Insam damals in Wien eine echte Pionierrolle. "Ich habe mich zunächst darauf konzentriert, in Wien konstruktive Kunst zu zeigen, exakte Tendenzen und habe mich dem Minimalismus zugewendet. Das waren meine Vorlieben im Kontrast zu dem sonstigen Programm in Wien: Aktionismus, Wirklichkeiten, Expressives", erinnert sich die Galeristin.

Ihren Vorlieben treu geblieben

Ernst Logar
Ernst Logar
Die Ausstellung "En avant" beweist, wie sehr Grita Insam ihren Vorlieben treu geblieben ist. Ernst Logars großformatige Fotoarbeiten von Archivräumen verweisen auf Candida Höfer, die ebenfalls hier ausgestellt hat.

Tilman Eberwein
Tilman Eberwein
Der deutsche Tilmann Eberwein hat durch ein Schiebefenster zwischen zwei Räumen eine Wippe aus einem massiven grauen Metallrohr gebaut, auf der die Besucher schaukeln können. Das Objekt erinnert an die architektonischen Rauminstallationen von Vito Acconci, mit dem Grita Insam bereits mehrfach zusammengearbeitet hat.

Auf dem Boden sind mit Klebeband kleine rote Kreise markiert. Darin befinden sich Schilder mit den Namen jener Polizisten, die vor einigen Jahren in New York einen Afroamerikaner erschossen haben. "Ich erinnere mich bei dieser Arbeit ganz deutlich an die Foto-Arbeit von Peter Weibel, die damals sehr prominent war. Er stellte sich in der Grünangergasse unter das Schild der Polizeistation, hielt ein Schild mit Schrift hoch, auf dem stand zu lesen: lügt. Und das Foto ergab: 'Polizei lügt'", erklärt Grita Insam.

Mehr als nur Galeristin

Grita Insam hat seit den 80er Jahren auch außerhalb ihrer Galerie einiges bewegt: So stammt das Konzept zu einem der ersten Wiener Festivals zeitgenössischen Tanzes - "Tanz 82" - zum Teil von ihr. Es gab Themenausstellungen für die Wiener Festwochen und für den steirischen herbst. Ein Jahr lang hatte sie auch eine Galerie in Chicago. Mit dortigen Kunstsammlern kooperiert sie bis heute. Nur von den österreichischen Käufern allein - ohne ausländische Kunden - könnte sie nicht überleben. Trotzdem hört man von Grita Insam kein Wort der Klage über Wien als Kunststadt - ganz im Gegenteil:

Grita Insam, Messestand, Chicago Art 2001
Grita Insam, Messestand, Chicago Art 2001

"Der Aufschwung in den letzten paar Jahren ist für mich eine ungeheure Freude. Ich empfinde sie, wie vielleicht manche meinen sollten, nicht als Konkurrenz sondern als Erweiterung. Und wie Wien sich derzeit als Kunstszene der internationalen Welt präsentiert, ist unvergleichbar. Das führe ich aber auf die Kulturpolitik eines Rudolf Scholten zurück. Der hatte sich bereit erklärt, Galerien in ganz minimalen Beträgen - man soll ja nicht glauben, dass unsere Galerienförderung hoch war - zu stützen. Aber dieses Netz: Wenn es ganz schief geht, gibt es vielleicht etwas - hat viele motiviert, eine neue Galerie zu eröffnen", meint Insam.

CD-Rom zum 30 Jahr-Jubiläum

Im Herbst wird Grita Insam eine CD-Rom zum 30-Jahr-Jubiläum auflegen. Dann wird es möglich sein, u.a. die vielen Denkwürdigkeiten und Anekdoten abrufen zu können, die sie im Lauf der Jahre mit Künstlern erlebt hat. So zum Beispiel einen Abend mit dem Schweizer Sammlerpaar Lambelqay. Unter den Gästen befanden sich damals: Hermann Nitsch und dessen Galerist in Neapel, Pepe Morra sowie Franz Graf und Franz West:



"Zwischen Franz West und Franz Graf hat sich damals eine Art Kampf im Gespräch entwickelt und sie waren fast daran zu raufen. Da hat Heidi Lambelqay die beiden hinausgeschmissen. Sie hat gesagt: Ich hab' ja gewusst, wenn der Hermann Nitsch zu Gast ist, dann wird's krachen! Der Pepe Morra war daraufhin wütend, weil der Hermann Nitsch wirklich vollkommen sanft und ohne irgend welchen Streitereien im Garten saß. Und der Morra hat begonnen, die Gläser von Bildern, die im Gang hingen, zu zerschlagen. Da kam der Nitsch und sagte, er muss sofort mit ihm gehen. Endlich ist es dem Morra gelungen, mit einem Splitter die Stirn vom Hermann Nitsch zu ritzen, dass das Blut rann. Da kommen Franz West und Franz Graf - inzwischen ganz friedlich - zusammen in den Garten. Franz West zieht das Taschentuch, drückt es dem Hermann Nitsch auf die Stirne und sagt: Nitsch, signier!"

Link: Kunstnet

Radio …sterreich 1