Hilfe zur Selbsthilfe

Design meint in der Generali Foundation nicht luxuriöse Ästhetisierung des Alltags, sondern Lebenskonzepte für Menschen am Rande der Gesellschaft.
Von Robert Bilek.


Dass sich die bildende Kunst der letzten Jahre häufig mit sozialen Problemen und den Lebensbedingungen der Menschen im Zeichen von Neoliberalismus, Globalisierung und Krieg auseinandersetzt, ist nicht erst seit der am kommenden Sonntag zu Ende gehenden documenta 11 bekannt. Die Wiener Generali Foundation trägt mit ihrer aktuellen Ausstellung diesem Trend Rechnung. "Designs für die wirkliche Welt" zeigt aktuelle und historische Denkanstöße und Lösungsvorschläge von Künstlern etwa für Armenviertel, Obdachlose oder illegale Einwanderer.

Offizieller Schwarzmarkt

Die österreichisch-bosnische Architektin Azra Aksamija etwa bringt Vorschläge für die Zukunft eines in den Kriegswirren entstandenen und zu einer kleinen, multi-ethnischen Stadt angewachsenen Schwarzmarktes in Bosnien. Ironischerweise wurde der Schwarzmarkt von der SFOR ins Leben gerufen, weil sie anders die Versorgung nicht garantieren konnte. Gleichzeitig ist das Areal, eben weil es ein Schwarzmarkt ist, völlig dereguliert und wildwüchsig. Kleine kreative Eingriffe und humane Selbstregulierung statt brutaler Umgestaltung zur Shoppingmall lautet die Devise.

Azra Aksamija: Arizona Road, 2001/02 / ©Bild: Azra Aksamija
Azra Aksamija: Arizona Road, 2001/02 / ©Bild: Azra Aksamija

Kunstvolle Selbstorganisation

Die oft geniale Selbstorganisation von Elendsvierteln hat auch die slowenische Stadtplanerin Marjetica Potrc beeindruckt. "Sie beobachtet diese Orte nicht mit einem Blick des Bedauerns, sondern sie versucht die Aufmerksamkeit auf das innovative Potenzial und auch auf die ästhetischen Qualitäten dieser Gebäude zu lenken", erklärt Ausstellungskuratorin Sabine Breitwieser Potrcs Ansatz.

Marjetica Potrc: Travellers, aus der Serie City States, 2001 / ©Bild: Marjetica Potrc und Galerie Max Protetch
Marjetica Potrc: Travellers, aus der Serie City States, 2001 / ©Bild: Marjetica Potrc und Galerie Max Protetch

Leben im Einkaufswagen

Der in den USA lebende Pole Krzysztof Wodiczko wurde in den 80er Jahren mit seinen "Homeless Vehicles" berühmt - das sind quasi Einkaufswagen, mit denen Obdachlose ihre Habseligkeiten transportieren und in denen sie auch schlafen können.

Krzysztof Wodizcko: Homeless Vehicle, 1988 / ©Bild: Krzysztof Wodizcko und Galerie Lelong
Krzysztof Wodizcko: Homeless Vehicle, 1988 / ©Bild: Krzysztof Wodizcko und Galerie Lelong

In der Generali Foundation sind neben den Vehicles Wodiczkos Apparaturen aus der Xenology-Serie zu sehen, mit denen er in den 1990er Jahren illegalen mexikanischen Einwanderern mittels tragbarer Lautsprecher und Videomonitore zur Sprache und Selbstdarstellung verhalf.

Neuauflage

Historisches reflektiert auch der österreichische Künstler Florian Pumhösl, indem er die in Zusammenhang mit der Öko-Bewegung stehenden Entwürfe des Designers Victor Papanek aus den 1960er Jahren rekonstruierte. Seine Tetraeder waren für verschiedenste Einsatzgebiete vorgesehen, von der Raumstation bis zum Öltransport auf See.

Florian Pumhösl: On or off earth,1996 / ©Bild: Florian Pumhösl
Florian Pumhösl: On or off earth,1996 / ©Bild: Florian Pumhösl

Utopische Konzepte

Viele der Künstler-Ideen zu den "Designs für die wirkliche Welt" verstehen sich eher als Denkanstoß denn als praktisch umsetzbarer Lösungsvorschlag. Dennoch sind es - wie Sabine Breitwieser betont - meist wirtschaftliche Interessen, die die Umsetzung durchaus praktikabler Vorschläge zunichte machen. "Von Seiten der Industrie besteht natürlich wenig Interesse, Deregulierung und Selbstverwaltung zu vermarkten. Das ist noch nie jemandem gelungen", sagt die Generali-Kuratorin.

Link: Generali Foundation

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