Salzburger Nachrichten am 17. Juni 2003 - Bereich: kultur
Offen für Diskussionsstoff

Immer schon waren die Pavillons der Biennale Orte des Wettbewerbs zwischen den Ländern. Wo liegen heuer Schwerpunkte, Widersprüche, Attraktionen?

ELISABETH RATH

Es macht Sinn, mit dem österreichischen Pavillon zu beginnen. Das Werk des österreichischen Bildhauers Bruno Gironcoli veranschaulicht auf künstlerisch hohem Niveau, dass sowohl in seiner Plastik als auch in der Grafik die aktuelle Problematik der Reproduzierbarkeit von Leben im Kern getroffen ist. Dass das Werk eines 66-Jährigen im Heute seine Kraft so entfalten kann wie in Venedig und in vorderster Reihe den jüngeren Positionen standhält, liegt an der Qualität der Arbeiten. Wenn dem Künstler auch spät diese offizielle Anerkennung zuteil wird, so ist dies mit ein Verdienst seiner Galeristen, im Speziellen der Galerie Thomann, die sich jahrelang für Gironcolis Arbeit stark machte.

Manipuliertes Leben, fremde Welten, Bioethik

Mit den Themen Manipulationen des Lebens, fremde neue Welten und Bioethik befasst sich Patricia Piccinini, deren Beitrag Diskussionen auslösen mag. Die 1965 geborene Künstlerin belebt den australischen Pavillon mit lebensecht wirkenden bekleideten Menschen und nackten Wesen, die menschen-ähnlich mit Schweineohren und anderen Tierattributen beim Besucher gleichermaßen Erstaunen, Befremdung und Zuneigung wecken können. Mit dem Titel "We are family" untermauert Piccinini ihre Sicht der Stammzellenforschung, indem sie mit einem hohen Ausmaß von Ästhetik versucht, die Angst vor diesen neuen Welten und Wesen zu nehmen. Zusätzlich zu den Figuren zeigt ein hochästhetisches Video das Wachstum von Stammzellen zu Körperteilen. Provokant: Die Herstellung von Körpern wird zur "Kunstware".

Eine ganz andere Form von Warencharakter hat die Kunst im Pavillon der USA. Fred Wilson treibt hier mit Lustern, Murano-Glas, Verkachelungen, farbigen Wänden, Gemälden und viel Lichtinszenierung großen Aufwand, hinter dem man vergeblich künstlerische Inspiration sucht.

Ganz im Gegensatz dazu besticht der israelische Pavillon durch Zurückhaltung und Reduktion auf eine wesentliche Idee. Michal Rovner, die 1957 in Tel Aviv geborene Videokünstlerin, zeigt mit "Against Order? Against unorder?" eine überzeugende Arbeit, die den Menschen als Einzel- und Gruppenwesen thematisiert.

Aus Portugal ein ambulanter Pavillon

"Absent names" von Pedro Cabrita Reis, dem 1956 in Lissabon geborenen Künstler, muss als der portugiesische Beitrag ebenso ins Zentrum gerückt werden. In Ermangelung eines Pavillons hat Reis einen ambulanten Raum unweit des österreichischen Pavillons errichtet, außen mit silbernem, Hitze abweisendem Isoliermaterial beschichtet, innen leer, an den orangefarbenen Wänden zahlreiche bemalte Neonröhren, die weiß leuchten und optisch Wärme erzeugen, kühl und warm zugleich, widersprüchlich und anregend, ein stiller Ort der Konzentration.

Auch der isländische Pavillon zeigt eine Installation, die sehr reduziert auf das elementare Erleben von Natur ausgerichet ist. Die 1951 in Reykjavik geborene Installationskünstlerin Ruri hat sich von der Kraft des Wassers inspirieren lassen und zeigt wie in einem Bilderdepot Wassermotive. Das Rauschen des Meeres ist auch als akustische Kulisse erlebbar. Auch Jana Sterbacks Videoinstallation "From here to there" (Kanada) arbeitet mit Bildern von Natur, von Schnee und Eis, und Musik von Bach: ein poetisches Gesamtkunstwerk.