Österreich und die Schlepperkriminalität

Im Jahr 2001 wurden rund 48.700 "Illegale" an Österreichs Grenzen aufgegriffen. An der Grenze zu Tschechien waren es von Jänner bis April 2002 1.998 Personen.


Über die Situation an den Grenzen und über das Kunstprojekt "Border Rescue" hat kultur.ORF.at mit Gerald Tatzgern, dem Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität im Bundeskriminalamt, gesprochen.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen Fluchthelfern und Schleppern?

Tatzgern: Ein Fluchthelfer will sich keinen Vermögensvorteil schaffen. Der Schlepper verschafft sich auf Kosten eines Anderen einen Vermögensvorteil für sich oder jemanden Anderen.

Frage: Wie ist derzeit die Situation an den österreichischen EU-Außengrenzen?

Tatzgern: Es ist ein leichter Anstieg an Aufgriffen zu verzeichnen. Im vergangenen Jahr waren es etwa 48.700 Aufgriffe. Damit liegen wir im Spitzenfeld der Europäischen Union.

Frage: Welche Probleme gibt es bei den Aufgriffen?

Tatzgern: Zuerst muss man sagen, dass die meisten Schlepper ein sehr geringes Unrechtsbewusstsein haben - auch wenn sie noch so skrupellos vorgehen und im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gehen. Viele sehen sich trotzdem als Helfer, die ihren Kunden eine neue Chance bieten.

Das Problem für die Beamten ist, dass sie einen Weg zwischen Menschlichkeit und staatlicher Hoheitsgewalt finden müssen. Im Vordergrund steht bei uns aber die Erstversorgung der aufgegriffenen Personen. Weil es bei uns eine faire und menschliche Behandlung gibt, wählen viele Immigranten bewusst Österreich als Übertrittsland.

Viele der Aufgegriffenen haben keine Dokumente und geben falsche Identitäten an. Derzeit gibt es zum Beispiel sehr viele Asylwerber, die angeblich aus Afghanistan kommen. Bei unseren Recherchen stellt sich dann aber oft heraus, dass das nicht der Fall ist.

Gerald Tatzgern
Gerald Tatzgern

Frage: Auch die oberösterreichische Künstlergruppe "Social Impact" argumentiert bei ihrem Projekt Border Rescue mit der Menschlichkeit. Neue Fluchtrouten, die die Künstler auskundschaften und ins Internet stellen, sollen das Risiko vermindern, dass man an der Grenze aufgegriffen wird.

Tatzgern: Ich möchte dazu nicht viel sagen, da es sich hier um ein laufendes Projekt handelt. Wir sind allerdings verpflichtet, das Unternehmen der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis zu bringen. Was hier ausgekundschaftet wird, das sind sicher keine neuen Routen oder Schlupflöcher. Wir kennen alle Wege.

Frage: Die Grenzen werden illegal überschritten. Die Routen werden im Internet veröffentlicht. Was für eines Deliktes machen sich die Künstler schuldig?

Tatzgern: Es könnte ein strafrechtliches Delikt dahinter stehen. Ich muss die Beurteilung aber der Justiz überlassen. Im Rahmen einer Sachverhaltsdarstellung wird diese dann prüfen, ob tatsächlich ein strafrechtlicher Tatbestand verwirklicht wurde.

Frage: Grenzen zu überschreiten, gemeint sind hier nicht nur Staatsgrenzen, ist eine zentrale Aufgabe der Kunst. Wird es zu einer anderen Bewertung der Übertritte kommen, weil es ein Kunstprojekt ist?

Tatzgern: Strafrechtlich wird es interessant, wenn ich die rechtswidrige Einreise in das Bundesgebiet fördere und daraus ein nicht geringer Vermögensvorteil entsteht, für die, die eine solche Einreise ermöglichen. Zu prüfen ist, ob hier der Tatbestand der Beihilfe zu einer strafrechtlichen Handlung verwirklicht wurde, oder nicht.

Frage: Ist mit der Veröffentlichung der Fluchtrouten im Internet ein Straftatbestand erfüllt?

Tatzgern: Wir werden die Veröffentlichungen genau prüfen, dann wird es eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft geben.

Frage: Noch eine persönliche Frage: Was halten Sie von Kunstprojekten wie dem von Border Rescue?

Tatzgern: Besser wäre es, wenn die Künstler vorher mit uns in Verbindung treten würden. Wir haben immer eine offene Gesprächsbasis. Wir arbeiten zwischen staatlicher Gewalt und Menschlichkeit. Wenn wir die Menschlichkeit noch steigern können, dann wollen wir das tun.

Wir arbeiten zum Beispiel sehr eng mit NGOs zusammen, aber auch mit privaten Hilfsorganisationen. Der Hintergrund ist: Wir haben erkannt, dass man den Menschen nicht nur durch staatliche Organisationen helfen kann. Die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen funktioniert aus meiner Sicht in Österreich bereits sehr gut.

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