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Schuhe statt Kunst - auch Guggenheim muss abspecken

New York (APA, dpa) Selbst die Umkleidekabinen sollen Kunst sein. Sie sind aus Glas. Auf Knopfdruck wird es undurchsichtig. Nichts hat Rem Koolhaas im neuen New Yorker Flaggschiff-Kaufhaus der Modefirma Prada dem Zufall überlassen. Nur dass der wichtigste Partner ausstieg, der den Shopping-Palast am Broadway allein schon mit seinem Namen als Kultur-Tempel ausweisen sollte, konnte auch der holländische Stararchitekt nicht verhindern.

Eigentlich wollte der Kunst-Konzern Guggenheim in dem wie eine große Welle gestalteten Teil des Prada-Hauses in SoHo, wo er vor dem Umbau eine kleine Dependance unterhielt, Artshows veranstalten. Doch Thomas Krens, der in Fachkreisen ebenso beneidete wie beargwöhnte Chef der Guggenheim-Welt, sagte ab. Der Vorreiter des globalen Bündnisses von Kunst und Kommerz, der mit der Ausstellung von BMW-Motorrädern oder Armani-Kleidern nach Meinung von Kritikern die Grenzen zur Produktwerbung überschritt, hat sich übernommen. In dem 150-Sitzplätze-Theater, das Koolhaas eigens in "The Wave" einrichten ließ, werden nun meist Schuhe gezeigt. Gelegentlich werden sie für Tanzdarbietungen, Vorträge oder Filmvorführungen weggeräumt.

Verzichten, abwarten, verschieben

Abspecken und Konsolidieren ist angesagt. Das geht derzeit vielen New Yorker Museen so, aber die Traumprojekte der Guggenheimer waren weit augenfälliger als andere Vorhaben. Betroffen war längst nicht bloß das Prada-Guggenheim-Erlebnis. Die Pläne für ein neues Museum in Rio de Janeiro sind in den untersten Schubladen verschwunden. Dem Online-Vermarktungsprojekt "guggenheim.com" droht das Aus. Am New Yorker Stammsitz soll angeblich ein Viertel der rund 450 Mitarbeiter entlassen werden. Doch am meisten schmerzt die Guggenheim-Oberen das absehbare Scheitern des weltweit ehrgeizigsten Museums-Projektes, eines neuen Kunstzentrums in Manhattan, einer monumentalen amerikanischen Variante des erfolgreichen Guggenheim-Museums in der spanischen Provinzhauptstadt Bilbao. Ebenfalls von Stararchitekt Frank O. Gehry entworfen, sollte der neue Bau nicht weit entfernt von jener Stelle, an der damals noch das World Trade Center stand, wie eine gigantische Titan-Wolke 30 Meter hoch über den East River hinausragen.

Die Finanzierung des auf die Rekordsumme von umgerechnet rund ein Milliarde Euro (13,76 Mill. S) veranschlagten Projektes war nie gesichert. Rasch wurde klar, das selbst Krens, der Liebling der Sponsoren, große Schwierigkeiten hatte, genügend solvente Partner zu finden. Gehry, hieß es schon bald, habe wohl das "berühmteste nicht realisierbare Museum der Welt" entworfen. Dann veränderten die terroristischen Anschläge auf das WTC die Welt, auch die der Mäzene und Sponsoren, und erst recht verschoben sie die Prioritäten in der "Welthauptstadt der Kultur".

Verlustrechnung

Im neuen New Yorker Haushalt, den Giulianis Nachfolger Michael Bloomberg jetzt vorlegte, klafft ein Loch von umgerechnet rund fünf Milliarden Euro (4,76 Milliarden Dollar). Von Millionen-Zuschüssen für neue Museumsbauten ist darin keine Rede. Selbst wenn die fließen würden, sehen Experten auf Jahre hinaus keine Chance, in der an Kunstausstellungen keineswegs armen Metropole ein so gewaltiges Museum wie das Guggenheim-Kunstzentrum ohne große Verluste zu betreiben. Mehr als die Hälfte der geschätzten Besucherzahl von jährlich mindestens zwei Millionen hätte aus Übersee, also mit dem Flugzeug, anreisen müssen. Doch der Tourismusboom in New York war am 11. September beendet.

Modell des Guggenheim-Museums in New York.




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