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Graz
Abbild. Recent Portraiture and Depiction im Landesmuseum Joanneum Graz
von Patricia Grzonka

Authentizität, KünstlerInnensubjekt und Autorschaft sind Begriffe, die im allgemeinen Kunstdiskurs der letzten Jahre nicht eben im Vordergrund standen, und wenn, dann eher im Sinne einer kritischen Hinterfragung. Die diesjährige grosse Ausstellung des ‹steirischen herbstes› in Graz aber stellt genau diese Momente ins Zentrum der Auseinandersetzung und postuliert nichts weniger als die Wiederkehr des ‹rebellischen Subjekts› oder gar einer ‹humanistischen Utopie›.

Peter Pakesch, Direktor der Kunsthalle Basel, hat diese Ausstellung mit rund fünfzig internationalen künstlerischen Positionen zusammengestellt. ‹Abbild. Recent Portraiture and Depiction›, so der Titel der Schau, geht von der Annahme aus, dass die Gattung Porträt in den letzten Jahren für viele Künstlerinnen und Künstler wieder zu einer relevanten Kategorie geworden ist. Nachdem sich die Moderne des Körpers entledigt hat, so Peter Pakesch im Ausstellungskatalog, sei der Mensch nun in Form einer ‹widersprüchlichen Einheit wiedergekehrt›.

Die Ausstellung macht deutlich, dass es tatsächlich eine Vielzahl von KünstlerInnen gibt, die ‹den Menschen abbilden›, aber sie zeigt auch, dass es sich dabei hauptsächlich um ein formales Problem handelt, das mit dem Gegenstand ‹Mensch› nicht unbedingt kurzzuschliessen ist: es ist vielmehr die Wiederkehr eines neuen Realismus und einer neuen Figuration in der Kunst. Das sind Kategorien, die sich so kaum in den Problematiken von Neuen Medien, Installationen oder Computerkunst finden, wohl aber in den traditionellen Gattungen Malerei und Skulptur, sowie in der Fotografie. So wurde diese Ausstellung denn auch hauptsächlich mit Arbeiten bestückt, die das wechselvolle Abhängigkeitsverhältnis von Malerei und Fotografie illustrieren. Die junge deutsche Künstlerin Antje Majewski beispielsweise transferiert Fotografien mit Szenen aus russischen Gefängnissen in einen hyperrealen Malstil mit dokumentarischem Anspruch. Hiroshi Sugimotos Fotografien nach Wachsfiguren von Medien-Berühmtheiten aus allen Epochen wie Lady Di, dem Papst oder Oscar Wilde sind über den Umweg von illusionistischen Verfremdungsstrategien entstanden. Die malerische Umsetzung von Fotografien von Marktszenen, wie sie sie auf ihren Reisen festgehalten hat, resultieren bei der Österreicherin Johanna Kandl wiederum aus einem Bewusstsein für Handwerklichkeit im Gegensatz zum industriellen Produktionsprozess und verweisen dadurch auch auf politische und ökonomische Realitäten. Auch Thomas Struth mit seinen reprä-sentativen fotografischen Familienbildnissen sowie viele andere KünstlerInnen der Ausstellung, wie Claudia und Julia Müller, Muntean/Rosenblum oder Wofgang Tillmans – der mit einer Serie von Zeitungs-Ausschnitten von
Soldatenbildern eine ganze Wand bespielt – beschäftigen sich in ihrer Kunst eher mit
medialen Strategien von Massenmedien, als mit dem Menschen an sich.

Problematisch an der Ausstellung insgesamt erscheint, dass in der Vermengung von ganz unterschiedlichen historischen Prämissen Einheit suggeriert wird, wo eigentlich Differenz gemeint war. Die Positionen von Cindy Sherman oder Matthias Herrmann werfen Fragen nach Identität und Dekonstruktion auf, sie verstehen das Abbild als performative Kategorie, und thematisieren den Zwischenbereich von privat und öffentlich, leiten sich also genealogisch von einem völlig anderen Interesse ab als vom Postulat des unversehrten Menschen. Peter Pakesch ist es unzweifelhaft gelungen, einige herausragende Werke zu präsentieren (darunter Richard Hamilton, Jeff Wall, Sharon Lockhart, Douglas Huebler). Gleichzeitig aber wird dabei ein Subjektbegriff installiert, dessen Provenienz in keiner Weise geklärt ist.

Bis 16.12.2001

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Ausgabe: 12 / 2001
Ausstellung: Abbild (06.10.2001 - 16.12.2001)
Institution: Landesmuseum Joanneum (Graz)
Autor/in: Patricia Grzonka
Künstler/in: Antje Majewski , Hiroshi Sugimoto , Johanna Kandl , Thomas Struth , Claudia Müller , Julia Müller