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26.07.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
"So wie man einer Schaukel einen Schwung gibt"
VON ALMUTH SPIEGLER
Porträt. Der in Paris lebende Hamburger Jan Voss gestaltete heuer Plakate, Programme der Salzburger Festspiele.

Die Salzburger Festspiele huldigen heuer bei ihren naturgemäß recht spärlich bemessenen Auftritts möglichkeiten für bildende Künstler den großen älteren Herren: Das Bühnenbild der "Zauberflöte" stammt noch von dem heuer mit 85 Jahren verstorbenen Karel Appel. Im Foyer des großen Festspielhauses steht noch bis Samstag ein Bronze-Orpheus Alfred Hrdlickas (*1928), der von den Festspielen und von Galerist Ernst Hilger zugunsten des "Hauses für Mozart" versteigert wird. Und die Sujets für Plakate und Programmhefte schuf heuer Jan Voss (*1936).

Der seit 45 Jahren in Paris lebende Hamburger ist nach dem österreichischen Bildhauer Walter Pichler und dem italienischen Maler Mimmo Paladino der dritte Künstler in Serie, der für diese illustre Illustrationsaufgabe eingeladen wurde. Sein quirliger, heiterer Stil hat ihn wohl besonders für das Mozart-Jahr prädestiniert.

In den 40 eigens für die Festspiele geschaffenen Aquarellen sprudelt es nur so über von kleinteiligen, zarten Formen und kunterbunten Farben. Comicartige Tierchen und Menschen bevölkern da etwa locker stilisierte Notenblätter, verstricken sich ein paar Seiten weiter im Liniengewirr zum luftigen Wohlfühl-Muster - oder werden plötzlich zugunsten einer kleinen, streng abstrakten geometrischen Komposition völlig zurückgenommen. Absichtlich naiv, wie Kinderzeichnungen - aber klug durchsetzt von einer Mischung aus archaischer Symbolik und Graffiti-Handschrift. Keith Haring lässt hier genauso grüßen wie die Höhlenmalerei von Lascaux.

In seiner virtuosen Fröhlichkeit wirkt die Harmonie zum populären Bild des Jahresregenten allerdings schon fast ein bisschen zu harmlos. Aber an Provokation oder Relativierung war den Salzburger Festspielen hier eindeutig nicht gelegen. Muss ja auch nicht sein. Die Nähe von Voss und Mozart ist jedenfalls Peter Baum aufgefallen, dem langjährigen, ehemaligen Direktor der Neuen Galerie in Linz (heute Lentos). Die Wahl von Voss geht auf seine Empfehlung zurück. Und wer den Namen Voss bisher nicht aus der bildenden Kunst kannte, braucht sich jetzt vor Gram auch nicht zu vergraben - der Künstler ist in seiner Wahlheimat Frankreich eindeutig bekannter als in deutschsprachigen Gefilden.

Doch auch in Österreich war und ist Voss gut vertreten: Die Galerie Mauroner in der Salzburger Residenz zeigt zurzeit einen Querschnitt durch das abwechslungsreiche Werk des "documenta IV"-Teilnehmers, das sich in den Achtzigerjahren von der Fläche in den Raum auszustrecken begann. Aus zerrissenen Aquarellen etwa arrangierte er fragile, sanfte Collagen. Kräftig bemalte Holzteile bilden rein abstrakte Wandskulpturen. Zerknittertes und zerknülltes Papier wird zu wolkigen Reliefs. Still und laut wechseln einander hier ab, jedenfalls ein flotter Rhythmus, eine Melodie in Dur, nicht in Moll.

Eine Eigenschaft, die auch der mit Jan Voss befreundete Schriftsteller Peter Handke schätzt. Gemeinsam entstanden einige Bücher ("Quelques notes sur le travail de Jan Voss"). "Die Werke", so Handke, "geben einem Haus Schwung, so wie man einer Schaukel einen Schwung gibt."

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