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29.12.2005 - Kultur&Medien / Medien | ![]() |
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Die Provokation von Macht und Körper | ![]() |
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VON ALMUTH SPIEGLER | ![]() |
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Pornografie? Zum Hintergrund der zwei kritisierten Sujets von Tanja Ostojic und Carlos Aires. | ![]() |
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Der weibliche Schoß - Ziel sexueller Sehnsüchte und Symbol für den Beginn des Lebens in einem. Der Maler Gustave Courbet zoomte das unverhüllte weibliche Geschlecht 1866 für einen privaten Auftraggeber erstmals unstilisiert, also realistisch, aus dem Körper der Frau heraus. Ein Tabu-Bruch, der bis heute, sogar Jahre nach der 1988 erfolgten ersten öffentlichen Präsentation der 55 mal 46 cm kleinen Leinwand im New Yorker Brooklyn Museum noch für Aufregung sorgt. Bevor man den Titel "L'Origine du Monde" (Ursprung der Welt) überhaupt erst sickern lassen konnte, wurde hier schon "Pornografie!" geschrien. Ein berechenbarer, aber ambivalenter Reflex. Zwar lässt
sich Provokation von politisch motivierter Kunst gut dazu einsetzen, eine
breitere Aufmerksamkeit zu erlangen. Allerdings ist die Gefahr, der
Erregung den ursprünglich intendierten Inhalt, die Botschaft opfern zu
müssen, keine beherrschbare mehr. Ein der modernen Kunst immanentes
Kommunikationsproblem, mit dem jetzt die zwei angegriffenen Künstler des
"Europart"-Projekts Tanja Ostojic und Carlos Aires wohl leben müssen.
Dass die 1972 im damaligen Jugoslawien geborene und heute
in Berlin lebende Performance-Künstlerin mit ihrem untersichtigen Foto
eines Slips mit Sternenkranz-Aufdruck am Körper einer Frau (siehe unten
links) Courbets "L'Origine du Monde" zitiert, kann bei einer Präsentation
im öffentlichen Raum schwer als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden.
Dabei ist es wohl weniger anstößig als vermessen, die EU als neuen
Ursprung der Welt zu interpretieren. Durch das angesprochene
Sehnsuchts-Element werde die EU außerdem "als Körper real und fühlbar",
meint dazu Walter Seidl, der mit Ursula Maria Probst die Künstler für das
"25 Pieces"-Projekt ausgewählt hat. Dabei schwingt bei der explizit weiblichen Verkörperung
und dem Bezug auf das von Feministinnen oft angegriffene kopflose
Courbet-Bild in Ostojics Arbeit auch die Kritik u. a. an illegaler
Prostitution, Menschenhandel und somit den Einschließungs- und
Ausschließungspraktiken der EU mit. Themen, mit denen sich die
nomadisierende Performerin seit Ende der 90er beschäftigt. Mit dem Verhältnis von Macht und Körper (im Sinne
Foucaults) setzt sich auch der zweite ins Kreuzfeuer des Boulevards
geratene Künstler auseinander. Die durchaus pornografisch gemeinten,
angedeuteten Gruppensex-Szenen des 1974 geborenen Spaniers Carlos Aires
sind jeweils nur für zehn Sekunden auf den "Rolling Boards" zu sehen.
Genug Zeit, um die Politikergesichter auf den Masken zu erkennen. Nicht
vielleicht aber, um sie als die intendierte radikale Kritik an der
Globalisierung, an der Machtpolitik einiger weniger, an der Maskerade und
Illusion zu verstehen. Kunsthistorisch stehen die Bilder durchaus in der
Tradition des Wiener Aktionismus und vor allem des 1945 geborenen
kalifornischen Aktionskünstlers Paul McCarthy, der seit den späten 60er
Jahren mit Videos roher und brutaler Performances das "Saubere Amerika"
ironisierte. Und so sauber geht es in Europa ja bekanntlich auch nicht
immer zu. Meinung Seite 27 |
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