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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
02.08.2002
12:21 MEZ
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La Biennale di Venezia - Archittetura

Architekturzentrum Wien

 
Foto: APA/Robert Jäger
"Wozu Neubauten?" - Dietmar Steiner will auch diese Frage diskutiert wissen.

Foto: screenshot Biennale

Ausserhalb des gängigen Architekturkosmos
Dietmar Steiner präsentiert auf der Architekturbiennale in Venedig, "wahnsinnige" ArchitektInnen, die Grenzen und Nischen ihrer Disziplin ausreizen

Wien - "Integrazione, denn Wahnsinn braucht Methode" ist das Motto des österreichischen Beitrages der Architektur-Biennale in Venedig (7. 9. - 3. 11.), den der Leiter des Architekturzentrums Wien (Az W) Dietmar Steiner heuer erstmalig kuratiert. Die Hauptausstellung widmet sich Projekten, die Biennale-Leiter Deyan Sudjic unter dem Titel "Next" als zukunftsträchtig im wahrsten Sinn des Wortes präsentieren will, denn sie sind entweder noch im Bau oder in Planung.

Disziplinengrenzen ausloten

"In den Länderpavillons hat es ja Tradition, dass man sich dem Hauptthema nicht verbunden fühlen muss", sagt Steiner. "Unsere Idee für den Österreich-Pavillon war, eigenständige Positionen zu suchen von Architekten, die sehr integrativ arbeiten und die Grenzen der Disziplin ausloten. Natürlich sind die Vorbereitungen sehr kompliziert, aber wenn man bewusst wahnsinnige Architekten auswählt, die auch noch wahnsinnige Idee haben, ist das nicht anders zu erwarten".

Ein eigener Kosmos der Architektur

Bei den vier "wahnsinnigen" Architekten handelt es sich um Heidulf Gerngross, Nelo Auer, Rainer Köberl und den bereits verstorbenen Jan Turnovsky. "Der macht es uns am einfachsten", lacht Steiner. Das Az W verfügt über dessen Nachlass, und ein Raum im Österreich-Pavillon wird mit seinen Manuskripten ausgekleidet werden. Köberl möchte seinen Raum unter Wasser setzen, und die junge Architektin Auer gestaltet in ihrem eine Installation aus 448 Kisten, die mit bestimmten Schlagworten beschrieben werden. Gerngross möchte gar ein Einfamilienhaus darin unterbringen. "Es sind alles Leute, die noch nicht im Business gefestigt sind, sondern ihren eigenen Kosmos entwickeln, wie ich meine, eine österreichische Besonderheit".

Nischensuche in Zeiten des Architektur-Booms

Oft bleibt den Jungen angesichts der großen Konkurrenz auch nicht viel anderes übrig, als sich Nischen zu suchen. Wie erklärt sich Steiner den seit rund zehn Jahren vorherrschenden Architektur-Boom? "Es gab vor zwanzig Jahren einen Wechsel der Architektur in die Kultur-Industrie samt Starsystem.

Erlebnis-Architektur

Und parallel dazu die verstärkte Berichterstattung, weil Medien sich mit spektakulären Bauten leichter tun. Heute ist die Entfernung von Themenparks wie "Disneyworld" zu spektakulärer Architektur in Bilbao nicht mehr so groß fürs breite Publikum. Nur anstelle von Architekturkritik gibt es Promotion - die Gruppe soundso ist jung, fesch und supertoll! Architektur gehört heute zum Lifestyle. Und natürlich wurde es ein Modestudium".

Statements statt Theorie

Der Markt könne all die ehrgeizigen Jungtalente nicht aufnehmen, also wandern sie in angrenzende Bereiche ab und werden Web-Designer oder Grafiker. Auffallend ist, dass die Newcomer sich weniger mit Positionierung durch Theoriebildung aufhalten als Statements abgeben. Steiner: "Die jungen Architekten sind extrem ahistorisch, die wissen nicht einmal, was in den 60ern war. Aber sie wollen das auch gar nicht wissen. Das ist ja in vielen Bereichen so. Jeder will das Rad neu erfinden, nur dummerweise gibt es zur Zeit nichts, was ich nicht schon gesehen hätte".

Temporäres Bauen

Was für Trends gibt es zur Zeit? "Vorwiegend Kisten und Kartoffeln, wie wir in der Branche sagen. Der Vorteil der Kisten ist, dass man die Kartoffeln hinein geben kann. Wir müssen uns in Zukunft darauf einstellen, temporär und nicht mehr für die Ewigkeit zu bauen. Vor allem in der städtischen Wirklichkeit gibt es nicht mehr so langfristig stabile Nutzungen, vor allem im Entertainment-Bereich, siehe das Beispiel Multiplexe.

Wozu Neubauten?

Überhaupt wäre es sinnvoll, sich auf die Frage zu konzentrieren, ob man so viele neue Bauten überhaupt braucht, oder nicht besser umnutzen sollte. In Wahrheit brauchen wir keine großartigen neuen Technologien mehr. Aber das ist schwierig, denn Bauen ist ja ein primäres menschliches Bedürfnis, wie man schon bei Kleinkindern und ihren Klötzchen sieht". (APA)


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