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Barock’n’ Roll, was sonst?

Aufzählung (cai) Aha, ein Goldesel. Ach, das Viech, das Geld ausspuckt (wobei "spucken" natürlich ein Euphemismus ist für .. . ähm), also ein Esel mit Bankomatfunktion, dem man einen vierstelligen Code ins Ohr flüstern muss (zum Beispiel 1 – 5 – 3 – 7), damit er loslegt? Nein, so ein Goldesel nicht . Außerdem wäre der Code 14 -stellig: "E – S – E – L – S – T – R – E – C – K – D – I – C – H." Gestreckt schaut dieses Exemplar aber auch aus. Bevor jetzt Tierschützer vor der Tür der Krinzinger Projekte gegen das brutale Eselstretching demonstrieren ("Tierquälerei ist keine Kunst!"): Es handelt sich um einen Draht esel. Einen goldenen.

Dzine (nein, das ist keine kreative Schreibweise für Design) hat so was wie ein Stretch-Radl vergoldet, mit Schmuck überhäuft und mit Kreuzen und Kunstblumen garniert. Ein anbetungswürdiges Götzenbild. Und wie betet man es an? Eventuell, indem man um es herumradelt, bis man einen Drehwurm kriegt und vor lauter Ekstase vom Sattel kippt. Die Kunstrichtung: Hm, Barock’n’Roll? (Das Opus ist überladen und es rollt – theoretisch.) Den Goldeseleffekt kann man da auch beobachten. Allerdings beim Betrachter. Wenn er das Ding andächtig anstaunt, kommt ihm Edelmetall aus dem offenen Mund. Sofern Schweigen wirklich Gold ist. Ja, der Altar ist kitschiger als ein Christbaum. Aber es ist Edel-Kitsch. Dzine hat den zentralen Fetisch von einem Kult auf Curaçao in Szene gesetzt. Die Burschen dort ziehen nämlich ihre Räder in die Länge. Ein Video zeigt die halsbrecherischen Stunts, die sie damit vollführen, und entrückt mit seinem irrealen Sound alles in eine Art Trance. Äh, wieso heißt der Altar eigentlich "Voodoo"? Ich hab geglaubt, Voodoo, das wäre, wenn schlimme Buben der Barbie ihrer Schwester Butter ins G’sicht schmieren und die Schwester kriegt dann fettige Haut und Wimmerln.

Krinzinger Projekte
Schottenfeldgasse 45, 1070 Wien
Dzine: "Voodoo", bis 17. Juli
Mi. – Fr.: 15 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 14 Uhr

Sogar Parken ist sexy

Aufzählung (cai) Ich kann vielleicht das Gaspedal nicht von der Bremse unterscheiden, aber dass das da Autoerotik ist, das erkenn’ ich sogar ohne Führerschein. Okay, Autoerotik ist ein bissi was anderes. So was wie Autofahren ohne Beifahrer. Petar Mirkovic hegt jedenfalls heftige romantische Gefühle für – Autos. Seine gewissenhaft realistischen Kohlezeichnungen von Straßenszenen sind stimmungsvoll und sinnlich. Und so überwältigend perfekt, dass man sie zunächst für Fotos hält. Wundern tät’s mich nicht, wenn die Motten auf das täuschend echte Licht der Autoscheinwerfer reinfielen und bis zur Gehirnerschütterung hineinfliegen täten. Manchmal kommt Kunst eben doch von Können und nicht von "Du kunst mich amal!". Natürlich sind auch seine Skulpturen makellos. Kreuzungen aus Hochhäusern und Vogelkäfigen. Weil Wohnen ja nur aus Essen, Trinken und Mistmachen besteht, oder?

Lukas Feichtner Galerie
Seilerstätte 19, 1010 Wien
Petar Mirkovic, bis 17. Juli
Di. – Fr.: 10 – 18 Uhr, Sa.: 10 – 16 Uhr

Die Einsamkeit des Rens

Aufzählung (cai) Ihr Leben lang hat Maria E. Prigge etwas gesucht und sie hätte doch bloß eine Sonnenbrille aufsetzen und in den Keller gehen brauchen. Dort hätte sie’s gefunden: das tiefe Schwarz. Trotzdem hat sie es lieber mit diversen Drucktechniken probiert. Aufs Sparen hat sie sich in ihrer Kunst auch verstanden. Nur nicht zu viele Spuren hinterlassen. Schuld ist letztlich die Kargheit Is- und Irlands. Ein Stück Rentierleder neben einem markig zerkratzten Brettl: Ist das ein abstraktes Genrebild? Ein einsames Ren in Lappland?

Galerie Ulrike Hrobsky
Grünangergasse 6, 1010 Wien
M. E. Prigge (1949 – 2007): "Spuren II", bis 17. Juli
Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 07. Juli 2010
Online seit: Dienstag, 06. Juli 2010 18:42:00

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