DiePresse.com

DiePresse.com | Kultur | Kunst | Artikel DruckenArtikel drucken


Der politische Picasso – 2010 in der Albertina

15.07.2009 | 18:43 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Albertina-Chef Schröder präsentierte in London die Großausstellung "Picasso: Frieden und Freiheit".

Wie ein Kurzurlaub muss Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder sein Kurztrip nach London erschienen sein, zu dem er nach dem Krisengipfel Dienstagabend aufbrach. Nach drei Wochen täglicher Berichterstattung über die Wassereinbrüche konnte er dort am Mittwoch endlich wieder über Kunst sprechen. In der Karl-Marx-Bibliothek, dem Bau, wo 1901 bis 1903 Lenin sein kleines Büro hatte, präsentierte Schröder mit seinem Kollegen von der Tate Liverpool die Ausstellung „Picasso: Peace and Freedom“.

Von 21. Mai bis 30. August 2010 wird sie in Liverpool zu sehen sein, ab 15. September in der Albertina. Anhand von 150 Werken Picassos, darunter 25 Grafiken und zwei Gemälden aus der Wiener Sammlung, soll sie Picasso als politischen Maler neu positionieren. Denn dieser, so Schröder, wurde bisher unterbewertet. „Picasso, der Expressionist, der Womanizer, der Macho, das alles kennen wir – als Politiker aber wird er immer auf ,Guernica‘ reduziert. Dabei war das weder Anfang noch Ende seines politischen Engagements.“

Eher sind es Bilder wie „Das Beinhaus“ (1944–45), die zeigen, wie politisch Picassos Schaffen war. Die Leihgabe des New Yorker Museum of Modern Art wird auch im Zentrum der Ausstellung stehen. Aus der Albertina kommen einige seiner „schönsten Taubengrafiken“, so Schröder. Dabei auch die Taube, die das Mitglied der kommunistischen Partei Frankreichs 1952 für das Plakat des Wiener Friedenskongresses beigesteuert hat. War Picasso Kommunist? „Nein“, sagt Schröder, Picasso sei vom sozialistischen Anarchismus geprägt worden. Er hatte ein „merkwürdiges Verhältnis“ zum Kommunismus, kritisierte etwa heftig die Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956. Ausgetreten sei er trotzdem nie, er war mit einer Spende von einer Million Francs sogar der größte private Unterstützter, den die Partei in Frankreich hatte, erzählt Schröder. Vor allem aber gab es „einen unüberwindbaren Graben zwischen der Doktrin des sozialistischen Realismus und der Kunst Picassos“.

Im Zuge der Ausstellungsvorbereitungen hat Schröder sein bislang unpolitisches Picasso-Bild ändern müssen, das von Werner Spies geprägt war, der 2006 in der Albertina das erotische Spätwerk des Malers präsentiert hat. Gerade Picassos arkadische Bilder wären aber auch nur neben ihrem Gegenteil, den Bildern der Bestialität des Krieges, zu verstehen, erklärt Schröder die Dialektik. „Nach Durchsicht von Briefen und Archivmaterial muss man sagen, dass Picasso sich als zutiefst politischer Künstler verstanden hat. Wie Kokoschka wurde er erst später entpolitisiert.“ Mit der Ausstellung will die Albertina das gewohnte Picasso-Bild relativieren, „zu dessen Einzementierung auch wir mit unserer letzten Ausstellung sicher viel beigetragen haben“.


© DiePresse.com