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Ausstellung: Die Ölbilder, die nie gemalt wurden

15.03.2009 | 18:12 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Die Maria-Lassnig-Festspiele gehen in Köln weiter: Das Ludwig Museum zeigt eine wunderbar feine Retrospektive ihrer Zeichnungen und Aquarelle.

Kasper König, legendärer deutscher Kurator und Museumsdirektor, zeigt sich etwas kokett erstaunt: Seine Retrospektive der Zeichnungen Maria Lassnigs im Kölner Ludwig Museum fällt mitten in eine Art Hype um die große Malerin, die heuer diesen runden Geburtstag feiert, den dauernd auszusprechen unsäglich uncharmant wäre. Schließlich sind gerade diese, ihre späten Bilder eine Wucht, werden gefeiert von London bis Wien und Köln – „als sei Elvis Presley wiederauferstanden“, so König.

 

Irgendwie ein schöner Gedanke, wobei Lassnig sicher immer mehr gearbeitet als abgetanzt hat. Ihr Werk ist enorm, konsequent entwickelt seit 60 Jahren, rund um ihr sehr österreichisches Thema, die Selbsterforschung des Körpers, ihrer Körperempfindungen, die sie sowohl in ihrer Malerei als auch in ihrer Zeichnung festhält, rhythmisiert von ihrem typischen Stilwechsel, mal abstrakter, mal gegenständlicher. Mal ist ihr Körper, ihr Gesicht ein amorpher Klumpen, der sich etwa im Wiesengrün der „Gartenruhe“ hingibt, mal eine Mischung aus Mensch und Tier, mal eine Fratze oder einfach ein Kinderstuhl. Farben sind meist eindeutig Gefühlen zugeordnet, Rot etwa dem Schmerz, wenn zum Beispiel die Haut auf den Wangen spannt. Mund und Nase gehen in Lassnigs Gespür oft zusammen, bilden hamsterartige Gesichtsformen. Unweigerlich beginnt man, in sich selbst hineinzuspüren; vor allem Frauen, erzählt König von seinen Erfahrungen in Kunstpreis-Jurys, halten diese rücksichtslosen Körperbilder oft schwer aus.

 

Fragile Körper in Traumlandschaften

Beginnend mit den ersten, sehr genauen Körperbewusstseinszeichnungen von 1949 führt die Retrospektive dann über ungewohnt schwammige Aquarelle Ende der 50er-Jahre, die köstlich ironischen Trickfilme, zu den grellgelb hinterlegten Szenen und Selbstporträts aus den 90er-Jahren, die sich bis ins Heute ziehen. Der Hintergrund ist dabei wichtiger geworden, verankert die Figuren in einer Traumlandschaft auf saftig grünen Wiesen und vor auratisch leuchtendem Himmel. Die Körper dagegen sind nur Umrisse, fragil gezogen mit dem Bleistift.

Rund 120 Blätter reich ist diese wunderbare Retrospektive, in der das kleinere, mehr Aufmerksamkeit fordernde Format nie mit den großen, schneller auch emotional überwältigenden Ölbildern konkurrieren muss – eine konzentrierte Studienausstellung, die völlig für sich alleine stehen kann, durch die man staunend, gemäßigten Schritts wandern, in die man sich versenken kann. Hier sind keine Skizzen zu finden, keine „zweite Ware“ womöglich. Die Zeichnungen, so Lassnig, stehen alle für sich alleine, sind autonom, „verhinderte Ölbilder, denn ich wiederhole keine Zeichnung auf einem Ölbild“. Fast hätte man derlei subtile Reize einer rein grafischen Ausstellung schon vergessen gehabt, brainwashed von den Albertina-Schauen, die suggerieren, dass das eine nicht ohne das andere geht, zumindest die Zeichnung alleine irgendwie aufgemotzt werden müsse.

So muss man eben über 600 Kilometer wandern, besser noch fliegen, um von Lassnigs malerischem Werk im Wiener Mumok zu ihrem zeichnerischen in Köln zu gelangen. Dafür schickte die Albertina einige herausragende Leihgaben, wie etwa das „Selbstportrait als Playboystuhl“ von 1969, in dem ein knallroter Fauteuil breitbeinig im Nichts herumhockt und aus der Lehne dazwischen zwei zarte Brüstchen schüchtern grüßen. Elvis lebt – als ob wir das je bezweifelt hätten.

Bis 14. Juni, www.museenkoeln.de


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