OÖNachrichten
http://www.nachrichten.at/kultur/586227
Goodbye Privacy!
Medienkünstler und Manager der Ars
Diese Eröffnung bietet "more than memories"
Die Marienstraße wird zur "Second City", zum Portal zwischen Realität und Kunst
Abenteuer für Groß und Klein
Nightline: Das Festival kommt auch nachts nicht zur Ruhe
"Open House" im Museum der Zukunft
von
Julia Evers
"Der Geheimdienst war harmlos im Vergleich zu dem, was jetzt passiert"
"Goodbye Privacy" lautet das Thema des Festival Ars Electronica im Jahr 2007. Dem künstlerischen Leiter Gerfried Stocker sind dieses Problem und die Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft stellen muss, persönlich ein Anliegen.

OÖN: Warum ist Ihnen Goodbye Privacy ein Anliegen?

Stocker: Weil es im Moment sicher eine der größten Herausforderungen für uns ist. Weil sich in dem Thema die wichtigen Fragestellungen auch verbinden: nämlich die Anforderungen an jeden Einzelnen, unsere eigene Medienkompetenz zu stärken, selbst auch Bewusstsein und Verantwortung zu übernehmen, und auf der anderen Seite auch die Aufforderung an die Öffentlichkeit, an die Regierungen, die Entwicklung dieser Technologien nicht sich selbst und der Industrie zu überlassen, sondern diese Aspekte wie "Schutz der Privatsphäre" auch als Aufgabe der Gesellschaft und der Regierung zu verstehen.

OÖN: Warum haben wir als Gesellschaft so wenig Bewusstsein für dieses Problem?

Stocker: Weil wir die ganze Technologie viel zu wenig kennen und verstehen, weil der Großteil der Menschen nicht wirklich durchschauen kann, was hinter dieser Technologie passiert. Es ist so schön, ein Handy zu benutzen und zu telefonieren, das kann jeder. In Google einen Suchbegriff eingeben auch. Wir nutzen die Technologien, wir genießen die Vorteile, aber wie im Hintergrund die Daten gespeichert und ausgewertet werden, welche Prozesse laufen, da fehlt uns das Verständnis - für die Technik und für die Auswirkungen.

OÖN: Sind wir da auch kurzsichtig? Bei Technologien wie Google Earth ist doch klar erkenntlich, dass man damit Privatheit hergibt - wird aber als tolle Innovation gesehen.

Stocker: Wir sind von Vorteilen und Vergnügen, die uns die Technologie bringt, geblendet. Bei Google Earth - wo es richtig um Fotos geht - oder wie bei "Google Sightseeing", wo es diesen Fall gegeben hat, dass man die Katze hinter dem Fenster erkennen konnte - da funktioniert unsere traditionelle Vorstellung von Privatsphäre. Die viel tiefergehende Problematik, dass zum Beispiel die ganzen Suchbegriffe gespeichert und ausgewertet werden können, das wird nicht greifbar. Auf Basis dessen kann Google aber wahrscheinlich relativ schnell sagen, wer Angst hat, schwanger zu sein. Oder Angst vor einer Krankheit hat. Aus Suchbegriffen kann ich viel Persönlicheres, Intimeres schließen als aus diesen Fotos. Und das klingt jetzt verschwörungstheoretisch, aber: Wenn dieses Datenprofil meinem Arbeitgeber oder meiner Versicherung zugänglich gemacht wird, können sich sehr schnell Dinge im Leben anders entwickeln. Für so etwas fehlt uns aber das Konzept. Das kann sich nur mit aktiver Auseinandersetzung ändern.

OÖN: Sie haben gesagt, Schutz wäre eine Aufgabe der Regierung. Ist Datenspeicherung aber nicht sogar ein Kritikpunkt an - auch - österreichischen Regierungen? Stichwort Bildungsdokumentationsgesetz oder E-Card.

Stocker: Natürlich, die offiziellen Stellen sind genauso Mittäter in diesem System. Vor allem dort, wo es mit Geheimniskrämerei passiert. Aber das alte Konzept, wo solche Dinge nur der Geheimdienst und die Regierung machen, ist vergleichsweise ja sogar noch harmlos. Jetzt machen das Computerfirmen, Supermarktketten mit Kundenkarten und Bankomat- und Kreditkartenkäufen. Ich habe weniger Angst davor, dass die Regierung auf Grund der E-Card weiß, dass ich eine Krankheit habe, als dass das auf Grund meiner Einkäufe die Apothekervereinigung, die Pharma-Firma X und die Supermarktkette Y weiß. Dieser Überwachung wird gewissermaßen privatisiert - oft weil wir nicht mitdenken, wie bei der verführerischen Kundenkarte. Da wäre sehr wohl die öffentliche Hand gefragt.

OÖN: Ein zweites Thema wird "Rechtssystem in einer digitalen Welt" sein. Das wird seit jeher beanstandet, was drängt jetzt besonders?

Stocker: Auch die Persönlichkeitsrechte. Da ist vieles noch sehr im Unklaren - nicht zuletzt wegen 9/11 und der stetigen Bedrohung. Und gleichzeitig das Etablieren eines Rechts auf "informationelle Selbstbestimmung" - also selbst entscheiden zu können, wo und in welchem Zusammenhang ich Daten von mir veröffentliche.

OÖnachrichten vom 31.08.2007
 
   



© Wimmer Medien / OÖNachrichten
Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf.
zurück