| "Der Geheimdienst war harmlos im Vergleich zu dem, was jetzt passiert" |
"Goodbye
Privacy" lautet das Thema des Festival Ars Electronica im Jahr 2007.
Dem künstlerischen Leiter Gerfried Stocker sind dieses Problem und die
Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft stellen muss,
persönlich ein Anliegen.
OÖN: Warum ist Ihnen Goodbye Privacy ein Anliegen?
Stocker:
Weil es im Moment sicher eine der größten Herausforderungen für uns
ist. Weil sich in dem Thema die wichtigen Fragestellungen auch
verbinden: nämlich die Anforderungen an jeden Einzelnen, unsere eigene
Medienkompetenz zu stärken, selbst auch Bewusstsein und Verantwortung
zu übernehmen, und auf der anderen Seite auch die Aufforderung an die
Öffentlichkeit, an die Regierungen, die Entwicklung dieser Technologien
nicht sich selbst und der Industrie zu überlassen, sondern diese
Aspekte wie "Schutz der Privatsphäre" auch als Aufgabe der Gesellschaft
und der Regierung zu verstehen.
OÖN: Warum haben wir als Gesellschaft so wenig Bewusstsein für dieses Problem?
Stocker:
Weil wir die ganze Technologie viel zu wenig kennen und verstehen, weil
der Großteil der Menschen nicht wirklich durchschauen kann, was hinter
dieser Technologie passiert. Es ist so schön, ein Handy zu benutzen und
zu telefonieren, das kann jeder. In Google einen Suchbegriff eingeben
auch. Wir nutzen die Technologien, wir genießen die Vorteile, aber wie
im Hintergrund die Daten gespeichert und ausgewertet werden, welche
Prozesse laufen, da fehlt uns das Verständnis - für die Technik und für
die Auswirkungen.
OÖN: Sind wir da auch
kurzsichtig? Bei Technologien wie Google Earth ist doch klar
erkenntlich, dass man damit Privatheit hergibt - wird aber als tolle
Innovation gesehen.
Stocker: Wir sind von
Vorteilen und Vergnügen, die uns die Technologie bringt, geblendet. Bei
Google Earth - wo es richtig um Fotos geht - oder wie bei "Google
Sightseeing", wo es diesen Fall gegeben hat, dass man die Katze hinter
dem Fenster erkennen konnte - da funktioniert unsere traditionelle
Vorstellung von Privatsphäre. Die viel tiefergehende Problematik, dass
zum Beispiel die ganzen Suchbegriffe gespeichert und ausgewertet werden
können, das wird nicht greifbar. Auf Basis dessen kann Google aber
wahrscheinlich relativ schnell sagen, wer Angst hat, schwanger zu sein.
Oder Angst vor einer Krankheit hat. Aus Suchbegriffen kann ich viel
Persönlicheres, Intimeres schließen als aus diesen Fotos. Und das
klingt jetzt verschwörungstheoretisch, aber: Wenn dieses Datenprofil
meinem Arbeitgeber oder meiner Versicherung zugänglich gemacht wird,
können sich sehr schnell Dinge im Leben anders entwickeln. Für so etwas
fehlt uns aber das Konzept. Das kann sich nur mit aktiver
Auseinandersetzung ändern.
OÖN: Sie haben
gesagt, Schutz wäre eine Aufgabe der Regierung. Ist Datenspeicherung
aber nicht sogar ein Kritikpunkt an - auch - österreichischen
Regierungen? Stichwort Bildungsdokumentationsgesetz oder E-Card.
Stocker:
Natürlich, die offiziellen Stellen sind genauso Mittäter in diesem
System. Vor allem dort, wo es mit Geheimniskrämerei passiert. Aber das
alte Konzept, wo solche Dinge nur der Geheimdienst und die Regierung
machen, ist vergleichsweise ja sogar noch harmlos. Jetzt machen das
Computerfirmen, Supermarktketten mit Kundenkarten und Bankomat- und
Kreditkartenkäufen. Ich habe weniger Angst davor, dass die Regierung
auf Grund der E-Card weiß, dass ich eine Krankheit habe, als dass das
auf Grund meiner Einkäufe die Apothekervereinigung, die Pharma-Firma X
und die Supermarktkette Y weiß. Dieser Überwachung wird gewissermaßen
privatisiert - oft weil wir nicht mitdenken, wie bei der
verführerischen Kundenkarte. Da wäre sehr wohl die öffentliche Hand
gefragt.
OÖN: Ein zweites Thema wird
"Rechtssystem in einer digitalen Welt" sein. Das wird seit jeher
beanstandet, was drängt jetzt besonders?
Stocker:
Auch die Persönlichkeitsrechte. Da ist vieles noch sehr im Unklaren -
nicht zuletzt wegen 9/11 und der stetigen Bedrohung. Und gleichzeitig
das Etablieren eines Rechts auf "informationelle Selbstbestimmung" -
also selbst entscheiden zu können, wo und in welchem Zusammenhang ich
Daten von mir veröffentliche.
vom 31.08.2007 | |
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